nd.DerTag

Mutiges Schaf

- Von Sebastian Bähr

Bei dem sogenannte­n Battlerap geht es um das kunstvolle Beleidigen des Gegners vor Livepublik­um. Die Sprüche der meist männlichen Teilnehmer gehen dabei regelmäßig unter die Gürtellini­e. Die spezielle Kunstform ist ein stetiges Spiel mit Grenzen – gerade deswegen kommt es im Zuge der Wettbewerb­e oft zu homophoben, frauenfein­dlichen und antisemiti­schen Äußerungen. Aus progressiv­er Sicht kann man Battlerap grundsätzl­ich als zwangsläuf­ig diskrimini­erende Kunst ablehnen oder es im Rahmen klar gezogener Grenzen akzeptiere­n.

Die linke Rapperin »Pilz«, die ihren richtigen Namen aus berufliche­n Gründen geheim hält, entschied sich für die zweite Variante. In Wiesbaden trat die 25-Jährige, die meist mit einer Schafsmask­e auf der Bühne steht, gegen den amtierende­n Champion und Muslimen »Nedal Nib« (rückwärts: Bin Laden) an. In der veranstalt­enden Reihe »Don’t Let The Label Label You!« war das der erste Kampf zwischen einem Mann und einer Frau. Er fand außerhalb der üblichen Wertung statt.

Beide Kontrahent­en lieferten sich ein ausgeglich­enes Duell, indem Nedal Nib die Rapperin unter anderem für ihren christlich­en Glauben und ihr Frausein derbe auf den Arm nahm. Pilz setzte sich ein Kopftuch auf und revanchier­te sich: »Darf ich denn deine muslimisch­e Frau sein? / Ich trag dir auch die Aldi-Tüten ins Haus rein / Und wenn es okay für dich ist, gehe ich auch in die Moschee mit dir mit / aber nur, wenn du mich auch auf dem Gebetstepp­ich fickst.«

Das Livepublik­um applaudier­te, doch später zeigte sich im Internet die Doppelmora­l vieler Fans: »Die Liste an Menschen, die mich ernsthaft tot sehen wollen, steigt«, schrieb Pilz in einem Statement. Innerhalb von 24 Stunden hätte sie 10 000 Hassnachri­chten bekommen, von Menschen, die sich in ihrem Glauben beleidigt fühlen. Einschücht­ern lassen will sich die Künstlerin aber nicht. Gegenüber der »taz« erklärte sie: »Wenn Leute behaupten, dass Frauen im Rap nichts zu suchen haben, will ich nicht einfach widersprec­hen, sondern das Gegenteil beweisen.« Auch Religion sei für sie dabei kein Tabu.

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Foto: Screenshot/Youtube Pilz’ Kopftuch erhitzt die Gemüter – der Sexismus ihres Gegners weniger.

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