Mutiges Schaf
Bei dem sogenannten Battlerap geht es um das kunstvolle Beleidigen des Gegners vor Livepublikum. Die Sprüche der meist männlichen Teilnehmer gehen dabei regelmäßig unter die Gürtellinie. Die spezielle Kunstform ist ein stetiges Spiel mit Grenzen – gerade deswegen kommt es im Zuge der Wettbewerbe oft zu homophoben, frauenfeindlichen und antisemitischen Äußerungen. Aus progressiver Sicht kann man Battlerap grundsätzlich als zwangsläufig diskriminierende Kunst ablehnen oder es im Rahmen klar gezogener Grenzen akzeptieren.
Die linke Rapperin »Pilz«, die ihren richtigen Namen aus beruflichen Gründen geheim hält, entschied sich für die zweite Variante. In Wiesbaden trat die 25-Jährige, die meist mit einer Schafsmaske auf der Bühne steht, gegen den amtierenden Champion und Muslimen »Nedal Nib« (rückwärts: Bin Laden) an. In der veranstaltenden Reihe »Don’t Let The Label Label You!« war das der erste Kampf zwischen einem Mann und einer Frau. Er fand außerhalb der üblichen Wertung statt.
Beide Kontrahenten lieferten sich ein ausgeglichenes Duell, indem Nedal Nib die Rapperin unter anderem für ihren christlichen Glauben und ihr Frausein derbe auf den Arm nahm. Pilz setzte sich ein Kopftuch auf und revanchierte sich: »Darf ich denn deine muslimische Frau sein? / Ich trag dir auch die Aldi-Tüten ins Haus rein / Und wenn es okay für dich ist, gehe ich auch in die Moschee mit dir mit / aber nur, wenn du mich auch auf dem Gebetsteppich fickst.«
Das Livepublikum applaudierte, doch später zeigte sich im Internet die Doppelmoral vieler Fans: »Die Liste an Menschen, die mich ernsthaft tot sehen wollen, steigt«, schrieb Pilz in einem Statement. Innerhalb von 24 Stunden hätte sie 10 000 Hassnachrichten bekommen, von Menschen, die sich in ihrem Glauben beleidigt fühlen. Einschüchtern lassen will sich die Künstlerin aber nicht. Gegenüber der »taz« erklärte sie: »Wenn Leute behaupten, dass Frauen im Rap nichts zu suchen haben, will ich nicht einfach widersprechen, sondern das Gegenteil beweisen.« Auch Religion sei für sie dabei kein Tabu.