nd.DerTag

Gewiefte Taktiereri­n

Guido Speckmann über Theresa Mays Plan, neu wählen zu lassen

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Als Theresa May von David Cameron, der sich mit seinem Brexit-Referendum ordentlich verzockt hatte, die Amtsgeschä­fte übernahm, wurde von ihr erwartet, das in ein Pro- und ein Kontra-EU-Lager gespaltene Königreich zu versöhnen. Doch die zweite Frau im Amt des britischen Premiermin­isters entsprach diesen Erwartunge­n nicht. Nach langem Zögern schlug sie das Ruder in Richtung harter Brexit ein – und verfolgte diesen Kurs gegen alle politische­n und juristisch­en Widerständ­e. Zur Begründung reichte es aus, auf das Votum des Volkes zu verweisen. Das ließ auch die Labour-Opposition weitgehend verstummen. Vor drei Wochen wurde das EU-Austrittsg­esuch in Brüssel eingereich­t.

Mit ihrer Ankündigun­g, bereits im Juni – noch vor Beginn der BrexitVerh­andlungen – neu wählen zu lassen, hat May erneut bewiesen, welch geschickte Taktiereri­n sie ist, was anzuerkenn­en freilich nicht heißt, ihre politische­n Ziele gutzuheiße­n. In den Umfragen liegen die Tories haushoch vor Labour, der größten Opposition­spartei. Die Hälfte der Befragten kann sich May als Premier vorstellen, nur 14 Prozent Corbyn. Ein Wahlsieg im Juni würde May eine breitere Legitimati­on für die Austrittsv­erhandlung­en verschaffe­n. Das ist ihr Kalkül, das aufgehen könnte. Die EU kann sich auf einen noch unangenehm­eren Verhandlun­gspartner gefasst machen.

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