May will neu wählen lassen
Oppositionspartei Labour liegt in den Umfragen deutlich hinter den Tories
Theresa May ist umgefallen. Nach wiederholten Absagen will die Premierministerin Großbritanniens nun doch keine Wahlen im Jahre 2020, sondern schon am 8. Juni. Sie sei nicht bereit, mit der derzeitigen kleinen Unterhausmehrheit die Brexit-Verhandlungen durch ihre parlamentarischen Gegner gefährden zu lassen. Neuwahlen seien der einzige Weg, die Stabilität des Landes zu garantieren. Die Konservativen würden eine starke Mehrheitsregierung anstreben, während alle Gegner zusammen nur eine schwache, unsichere Koalition anbieten würden.
Der Prozess zu Neuwahlen setzt Labours parlamentarische Zustimmung voraus. Denn die frühere konservativ-liberale Koalition hat das »Fixed Parliaments Act« durchgesetzt, das Wahlen erst 2020 erlaubt. Dies kann jedoch durch eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus ausgehebelt werden – und Labour-Chef Corbyn hat signalisiert, dass die Opposition – wie bei Mays Unterschrift unter dem Austrittsartikel 50 – mit der Regierung stimmen wird. Er konnte schwerlich anders, da er Mays Austeritätspolitik für schädlich hält und die zunehmende Ungleichheit in der britischen Gesellschaft für ungerecht.
Jetzt kann Corbyn zeigen, ob eine klare Linkswendung in einer eine halbe Million Mitglieder starken Oppositionspartei den Wandel bringen kann. Die Ausgangsposition ist jedoch ungünstig: Labour liegt mit nur 25 Prozent hinter den Tories mit 46 Prozent zurück – wohl der wichtigste, obwohl unausgesprochene Grund für Mays Neuwahlentscheidung. Umfragen können täuschen, aber 2015 kam das Wahlergebnis noch schlechter für Labour als vorausgesehen.
Die Liberalen unter Tim Farron, EU-Freunde allesamt, freuen sich nach gewonnener Nachwahl in Richmond bei London auf den Wahlgang. Denn anders als Labour konzentrieren sie sich darauf, die Remain-Wähler hinter sich zu scharen. Schottlands Premierministerin Nicola Sturgeon kritisiert Mays parteitaktischen Opportunismus und hofft auf weiteren Stimmenzuwachs im Falle einer zukünftigen Abstimmung über Schottlands Unabhängigkeit.