Kein Ende der aggressiven Rhetorik
Trumps gefährliche Politik der »unstrategischen Ungeduld« gegenüber Nordkorea
Der Raketenangriff der USA auf Syrien hat gezeigt, dass Washington vor Kriegshandlungen nicht zurückschreckt. Gilt das auch für Nordkorea? Die Rhetorik der Beteiligten wird Tag für Tag schärfer.
Der Besuch von US-Vizepräsident Mike Pence am innerkoreanischen Grenzort Panmunjom hat die angespannte Lage auf der Koreanischen Halbinsel etwas entschärft. Mit Pence vor Ort und keiner Evakuierung der Zehntausenden von Familienangehörigen der in Südkorea stationierten US-Soldaten werden die USA keinen Überraschungsangriff auf Nordkorea wagen.
Doch Pence kam auch nicht mit einer Friedensbotschaft. Die Zeit der von US-Präsident Barack Obama eingeführten »strategischen Geduld« sei vorbei. Nordkorea »tut besser daran«, so Pence, »die Entschlossenheit oder die Stärke der Streitkräfte der Vereinigten Staaten in dieser Region nicht auf die Probe zu stellen«.
Auf Obamas Politik der strategischen Geduld scheint damit eine Politik der strategischen Ungeduld unter US-Präsident Donald Trump zu folgen. Trump drohte Pjöngjang in diesen Wochen verschiedentlich mit nicht näher bezeichneten Aktionen gegen das Land, wovon sich Nordkorea keine Spur einschüchtern ließ. Im Gegenteil: Nach der Warnung von Pence, dass die USA keine weiteren Raketentests Nordkoreas dulden würden, sagte Pjöngjangs Vizeaußenminister Han Song Ryol gegenüber dem britischen Sender BBC, man werde Raketentests fortan »jede Woche« durchführen. »Und wenn die USA uns militärisch attackieren, antworten wir mit einem präventiven Nuklearschlag nach unserem eigenen Stil und eigener Methode.«
Auch in sozialen Medien ist von »unstrategischer Ungeduld« der USA die Rede. Washingtons Kalkül scheint zu sein, dass China Druck auf Pjöngjang ausübt, damit die Koreanische Demokratische Volksrepublik einlenkt. Doch im Moment ist von einer moderateren Tonart noch nichts zu spüren. Staatsführer Kim Jong Un gibt beim verbalen Säbelrasseln die Gangart vor, den USA bleiben wenig schuldig.
Die »New York Times« verglich die Anspannungen mit einer »kubanischen Raketenkrise in Zeitlupe«. Kriegerische Rhetorik auf beiden Seiten und eine nervöse Politik des äußersten Risikos könnten schnell ins Unberechenbare drehen: »Wenn patriotischer Ehrgeiz, persönliches Ego und tödliche Waffen Teil der Mischung sind, gibt es viele Möglichkeiten für Fehlkalkulationen«, so die Zeitung.
Nordkorea scheint Trump zu überfordern. Das mögliche Nukleararsenal erweist sich dabei als Pjöngjangs wichtigster Schutzmechanismus. Da schreckt auch die stärkste Militärmacht der Welt zurück. Das Pentagon hat aber Flugzeugträger »USS Carl Vinson« mitsamt Eskorte in – wie es heißt – Gewässer nahe der Koreanischen Halbinsel beordert.
Doch Nordkorea ist nicht Afghanistan oder Syrien, wo es sich bombardieren lässt, ohne Gegenwehr befürchten zu müssen. Dessen ist sich Washington vermutlich bewusst. Ohnehin gingen die USA die Risiken weniger für sich als für Südkorea ein. Nordkorea ist zudem nicht mehr der verzweifelte von Hungersnöten geplagte Staat der 90er Jahre. Das Land hat technische Fortschritte gemacht, was sich nicht zuletzt an seinem Nuklearprogramm und der Raketentechnologie ablesen lässt. Die schrillen Töne von Trump dürften deshalb von Kim als letztlich folgenloses Gebrüll angesehen werden. Trump steht zudem als der potenzielle Aggressor da.
Die USA sind letztlich auf Chinas guten Willen angewiesen, welche Haltung es gegenüber Nordkorea einnehmen will. Die massive US-Präsenz in Südkorea wird auch in China großem Unbehagen wahrgenommen. Peking erachtet Nordkorea als Puffer und hat wenig Interesse an USTruppen an der eigenen Grenze.
Zu einer Konfliktlösung auf der Koreanischen Halbinsel kann es jedoch nur kommen, wenn es Verhandlungen mit dem Ziel eines Friedensschlusses zwischen Pjöngjang und Washington gibt, die sich auf dem Papier auch nach Ende des Korea-Krieges 1950-53 noch immer im Konfliktzustand befinden. Eine Friedensregelung müsste deshalb einen Abzug der US-Truppen aus Südkorea einschließen.