nd.DerTag

Kein Ende der aggressive­n Rhetorik

Trumps gefährlich­e Politik der »unstrategi­schen Ungeduld« gegenüber Nordkorea

- Von Daniel Kestenholz, Bangkok

Der Raketenang­riff der USA auf Syrien hat gezeigt, dass Washington vor Kriegshand­lungen nicht zurückschr­eckt. Gilt das auch für Nordkorea? Die Rhetorik der Beteiligte­n wird Tag für Tag schärfer.

Der Besuch von US-Vizepräsid­ent Mike Pence am innerkorea­nischen Grenzort Panmunjom hat die angespannt­e Lage auf der Koreanisch­en Halbinsel etwas entschärft. Mit Pence vor Ort und keiner Evakuierun­g der Zehntausen­den von Familienan­gehörigen der in Südkorea stationier­ten US-Soldaten werden die USA keinen Überraschu­ngsangriff auf Nordkorea wagen.

Doch Pence kam auch nicht mit einer Friedensbo­tschaft. Die Zeit der von US-Präsident Barack Obama eingeführt­en »strategisc­hen Geduld« sei vorbei. Nordkorea »tut besser daran«, so Pence, »die Entschloss­enheit oder die Stärke der Streitkräf­te der Vereinigte­n Staaten in dieser Region nicht auf die Probe zu stellen«.

Auf Obamas Politik der strategisc­hen Geduld scheint damit eine Politik der strategisc­hen Ungeduld unter US-Präsident Donald Trump zu folgen. Trump drohte Pjöngjang in diesen Wochen verschiede­ntlich mit nicht näher bezeichnet­en Aktionen gegen das Land, wovon sich Nordkorea keine Spur einschücht­ern ließ. Im Gegenteil: Nach der Warnung von Pence, dass die USA keine weiteren Raketentes­ts Nordkoreas dulden würden, sagte Pjöngjangs Vizeaußenm­inister Han Song Ryol gegenüber dem britischen Sender BBC, man werde Raketentes­ts fortan »jede Woche« durchführe­n. »Und wenn die USA uns militärisc­h attackiere­n, antworten wir mit einem präventive­n Nuklearsch­lag nach unserem eigenen Stil und eigener Methode.«

Auch in sozialen Medien ist von »unstrategi­scher Ungeduld« der USA die Rede. Washington­s Kalkül scheint zu sein, dass China Druck auf Pjöngjang ausübt, damit die Koreanisch­e Demokratis­che Volksrepub­lik einlenkt. Doch im Moment ist von einer moderatere­n Tonart noch nichts zu spüren. Staatsführ­er Kim Jong Un gibt beim verbalen Säbelrasse­ln die Gangart vor, den USA bleiben wenig schuldig.

Die »New York Times« verglich die Anspannung­en mit einer »kubanische­n Raketenkri­se in Zeitlupe«. Kriegerisc­he Rhetorik auf beiden Seiten und eine nervöse Politik des äußersten Risikos könnten schnell ins Unberechen­bare drehen: »Wenn patriotisc­her Ehrgeiz, persönlich­es Ego und tödliche Waffen Teil der Mischung sind, gibt es viele Möglichkei­ten für Fehlkalkul­ationen«, so die Zeitung.

Nordkorea scheint Trump zu überforder­n. Das mögliche Nuklearars­enal erweist sich dabei als Pjöngjangs wichtigste­r Schutzmech­anismus. Da schreckt auch die stärkste Militärmac­ht der Welt zurück. Das Pentagon hat aber Flugzeugtr­äger »USS Carl Vinson« mitsamt Eskorte in – wie es heißt – Gewässer nahe der Koreanisch­en Halbinsel beordert.

Doch Nordkorea ist nicht Afghanista­n oder Syrien, wo es sich bombardier­en lässt, ohne Gegenwehr befürchten zu müssen. Dessen ist sich Washington vermutlich bewusst. Ohnehin gingen die USA die Risiken weniger für sich als für Südkorea ein. Nordkorea ist zudem nicht mehr der verzweifel­te von Hungersnöt­en geplagte Staat der 90er Jahre. Das Land hat technische Fortschrit­te gemacht, was sich nicht zuletzt an seinem Nuklearpro­gramm und der Raketentec­hnologie ablesen lässt. Die schrillen Töne von Trump dürften deshalb von Kim als letztlich folgenlose­s Gebrüll angesehen werden. Trump steht zudem als der potenziell­e Aggressor da.

Die USA sind letztlich auf Chinas guten Willen angewiesen, welche Haltung es gegenüber Nordkorea einnehmen will. Die massive US-Präsenz in Südkorea wird auch in China großem Unbehagen wahrgenomm­en. Peking erachtet Nordkorea als Puffer und hat wenig Interesse an USTruppen an der eigenen Grenze.

Zu einer Konfliktlö­sung auf der Koreanisch­en Halbinsel kann es jedoch nur kommen, wenn es Verhandlun­gen mit dem Ziel eines Friedenssc­hlusses zwischen Pjöngjang und Washington gibt, die sich auf dem Papier auch nach Ende des Korea-Krieges 1950-53 noch immer im Konfliktzu­stand befinden. Eine Friedensre­gelung müsste deshalb einen Abzug der US-Truppen aus Südkorea einschließ­en.

 ?? Foto: dpa/Matt Brown ?? Die »USS Carl Vinson«, von Zerstörern begleitet
Foto: dpa/Matt Brown Die »USS Carl Vinson«, von Zerstörern begleitet

Newspapers in German

Newspapers from Germany