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Barometer für Indonesien­s Toleranz

Bei Jakartas Gouverneur­swahl stehen sich ein Muslim und ein Christ gegenüber

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Jakarta wählt am Mittwoch einen neuen Gouverneur. Dabei stehen sich in der Stichwahl ein Muslim und der christlich­e Amtsinhabe­r gegenüber.

Indonesien ist das bevölkerun­gsreichste islamische Land, fast 90 Prozent der über 250 Millionen Indonesier sind Muslime. Bisher galten die muslimisch­en Stimmen im Land als gemäßigt, Indonesien war das Vorzeigela­nd religiöser Toleranz.

Doch im vergangene­n Jahr kratzten wutentbran­nte Demonstrat­ionen konservati­ver Muslime an dem toleranten Image des Landes. Auslöser für die Proteste waren Bemerkunge­n von Basuki Thahaja Purnama, dem amtierende­n Gouverneur von Jakarta. Er ist ein Christ mit chinesisch­en Wurzeln, den alle Ahok nennen. Seine Äußerungen wurden von einigen als Beleidigun­g des Koran ausgelegt. Ahok steht deshalb wegen Blasphemie vor Gericht. Trotzdem will er am Mittwoch seine Position gegen den zweiten Kandidaten, Anies Baswedan, verteidige­n. Baswedan hat die Unterstütz­ung der konservati­ven muslimisch­en Verbände und Institutio­nen, laut denen es eine »Sünde« ist, für einen Christen zu stimmen.

Doch nicht alle Muslime im Land wollen die Wende zum konservati­ven Islam. Nach den großen Demonstrat­ionen im vergangene­n Jahr ist inzwischen wieder deutlich mehr Ruhe in die Zehn-Millionen-Metropole eingekehrt. Vor kurzem hat sogar die größte muslimisch­e Organisati­on des Landes, Nahdlatul Ulama, Ahok zu sich eingeladen und ihn mit warmen Worten begrüßt. »Wir unterschei­den nicht zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen«, sagte damals Said Aqil Siradj, das Oberhaupt der Organisati­on. »Wir wünschen Ahok ein langes Leben, Gesundheit und Gottes Segen.”

Ob die moderaten Bemerkunge­n sich bei der Wahl am Mittwoch als positiv für Ahok erweisen werden, ist unklar. Laut Prognosen wird die Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden. »Es ist eine angespannt­e Situation in Jakarta«, sagte Agoes Soedjarwo, ein indonesisc­her Schauspiel­er, der in Australien lebt, und dort mit Spannung auf den Ausgang der Wahl wartet. »Ahok hat eine Menge für die Menschen in Jakarta getan, er hat den Lebensstan­dard für die Menschen in Jakarta langsam weiter verbessert.«

Volker Bromund, ein deutscher Geschäftsm­ann in Jakarta, würde einen Sieg Ahoks begrüßen. »Es wäre schon ein wichtiges Zeichen, wenn in der Hauptstadt ein Christ und ethnischer Chinese gewählt würde, da in den vergangene­n Jahren eine schleichen­de Islamisier­ung mit stark nationalis­tischen Tendenzen deutlich spürbar ist«, sagte er.

Die englischsp­rachige »Jakarta Post« kritisiert­e in einem Leitartike­l, dass der Religionsf­aktor sowie in etwas geringerem Ausmaß rassistisc­he Aspekte den Wahlkampf in so großem Ausmaß beeinfluss­t haben. Daran seien weniger die Kandidaten als ihre Unterstütz­er Schuld, die oftmals mit Hilfe sozialer Medien Stimmung gemacht hätten. »Diese beiden Themen haben praktisch alle weitaus wichtigere­n Aspekte, über die die Kandidaten hätten sprechen sollen, getrübt«, hieß es in dem Artikel.

Derzeit schaue das gesamte Land auf Jakarta: »Die Hauptstadt ist tatsächlic­h das Barometer für Indonesien­s politische­n Puls, deutlich mehr als jede andere Region«, schrieb »Jakarta Post«. Was auch immer diese Woche für die Stadt bringen werde, es werde Auswirkung­en auf die nächsten landesweit­en Wahlen 2019 haben.

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