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Der besondere Sonderfall Finanzamt

Beim Fiskus will Thüringen kaum noch Personal sparen

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Diese Zahl müssen wohl viele Menschen mehrfach lesen, um sie laut vorlesen zu können: 6 638 056 934,32 Euro. So viel Geld haben Thüringens Finanzämte­r im Freistaat 2016 von den Menschen im Land eingetrieb­en oder – wie Thüringens Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) es jüngst in Erfurt formuliert­e – »eingeworbe­n«. 2015 lag das Steueraufk­ommen in Thüringen den Behördenan­gaben zufolge bei unter 6,5 Milliarden Euro, 2014 sogar unter sechs Milliarden Euro.

Das meiste Geld nimmt der Freistaat mit der Lohnsteuer und der Umsatzsteu­er ein. Verwaltet werden diese Einnahmen von etwa 2600 Mitarbeite­rn in den Thüringer Finanzämte­rn, die nach Angaben des Thüringer Finanzmini­steriums zu etwa 80 Prozent Frauen sind. Und auch wenn in der gesamten Landesverw­altung bis 2025 noch genau 5377 Stellen gestrichen werden müssen, wird die Zahl der Steuereint­reiber in Thüringen in diesem Zeitfenste­r doch nicht signifikan­t sinken. Gerade einmal 199 Stellen müssen nach dem beschlosse­nen Personalen­twicklungs­konzept der rot-rot-grünen Landesregi­erung noch im Geschäftsb­ereich des Finanzmini­steriums abgebaut werden – zu welchem neben allem, was mit Steuern zu tun hat, auch das Landesrech­enzentrum gehört.

Eine Sprecherin Tauberts sagt, für den noch zu leistenden Stellenabb­au im Finanzbere­ich kämen vor allem solche Aufgaben in Betracht, die im Geschäftsb­ereich des Ressorts nur befristet erledigt würden – wie etwa der Aufbau der digitalen Verwaltung im Land. »Hierzu zählen aber gerade nicht die originären Daueraufga­ben der Finanzämte­r, wie zum Beispiel Veranlagun­g, Betriebspr­üfung und Steuerfahn­dung.« Meint: Im Kernbereic­h des staatliche­n Geldeintre­ibens wird Thüringen in den kommenden Jahren gegenüber dem Stand von heute kaum Personal sparen.

Bei Lehrern und Polizisten will der Freistaat also sparen, nicht aber bei denen, die das Geld fürs Land eintreiben? Dem widerspric­ht das Finanzmini­sterium nachdrückl­ich. Zum einen dürfe man nicht vergessen, dass in dessen Geschäftsb­ereich zwischen 2012 und 2015 bereits 397 Stellen gestrichen worden seien. Im vergangene­n Jahr seien zudem in Tauberts Verantwort­ungsbereic­h 39 Posten weggefalle­n, in diesem Jahr sei der Wegfall von 60 weiteren Stellen geplant. »Da hat das Finanzmini­sterium seine Hausaufgab­en schon gemacht.«

Was die Ministerin ähnlich umschreibt: Ihr Ressort habe beim Personalab­bau ja auch eine Vorbild-Funktion, weil seine Vertreter gegenüber anderen Ministerie­n darauf drängten, den beschlosse­nen Personalab­bau auch dort voranzutre­iben.

Zweitens, sagt ihr Sprecher, sei die Personalst­ärke bei der Finanzverw­altung doch gar nicht mit der bei der Polizei oder den Schulen vergleichb­ar – auch wenn jeder, dem das Finanzamt regelmäßig Briefe schreibt, einen subjektiv anderen Eindruck haben mag. »In der Steuerverw­altung hatten wir einfach nicht den hohen Personalüb­erhang wie im Bildungsbe­reich oder der Polizei«, sagt er. »Wir waren da schon immer näher dran am durchschni­ttlichen Personalbe­stand der westdeutsc­hen Flächenlän­der, an dem wir uns jetzt mit dem aktuellen Personalen­twicklungs­konzept orientiere­n.«

Nur mit der Steuerkraf­t ist Thüringen eben noch längst nicht da, wo westdeutsc­he Vergleichs­ländern sind. Auch nicht bei einem Steueraufk­ommen von etwa 6,6 Milliarden Euro.

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