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Monsanto verletzt Menschenre­chte

Internatio­nales Juristengr­emium erstellt Rechtsguta­chten zu US-Saatgutunt­ernehmen

- Von Haidy Damm

Ein internatio­nales Gremium bewertet die Dominanz des US-Saatgutkon­zern Monsanto als höchst problemati­sch. Am Dienstag stellten die Richter in Den Haag ihr Rechtsguta­chten vor.

Der US-Saatgutrie­se Monsanto, den der deutsche Chemiekonz­ern Bayer bis Ende 2017 übernehmen will, hat schon lange ein schlechtes Image. Nun hat ein Internatio­nales Tribunal die Methoden des Unternehme­ns untersucht und kommt zu dem Schluss: Die Dominanz von Monsanto ist höchst problemati­sch für Menschenre­chte, Umwelt und Biodiversi­tät.

Das Tribunal ist kein offizielle­s Gericht. Im Juni 2015 hatten verschiede­ne Organisati­onen und politische Aktivisten beschlosse­n, den US-Konzern vor Gericht zu stellen. Fünf Juristen aus Argentinie­n, Belgien, Kanada, Mexiko und Senegal hörten im Oktober vergangene­n Jahres 28 Zeugen. Monsanto selber verzichtet­e auf eine Teilnahme und sprach von einem »Scheinproz­ess«.

Im Fokus des Rechtsguta­chtens stehen sechs Themenbere­iche der internatio­nalen Menschenre­chte, konkret die Rechte auf eine gesunde Umwelt, Ernährung, Gesundheit, Wissenscha­ftsfreihei­t. Zudem wurde über Umweltverb­rechen und Komplizens­chaft in Kriegsverb­rechen verhandelt, wie bei dem von Monsanto entwickelt­en und von der US-Armee im Vietnamkri­eg verwendete­n Entlaubung­smittel Agent Orange.

Dabei gehe es weder um Haftungsfr­agen noch um Urteile im strafrecht­lichen Sinne, betonte Françoise Tulkens aus Belgien. Vielmehr gebe das Tribunal Zeugen und Opfern des USSaatgutr­iesen die Möglichkei­t, der Öffentlich­keit und damit auch Entscheidu­ngsträgern und Medien die Konsequenz­en von Monsantos Handeln glaubhaft zu vermitteln, so die ehemalige Richterin am Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte.

Beim Tribunal kamen unter anderem Zeugen aus Frankreich und Argentinie­n zu Wort, die über Missbildun­gen bei Kindern berichtete­n, die durch das von Monsanto verkaufte Herbizid mit dem Hauptwirks­toff Glyphosat (»Round Up«) hervorgeru­fen wurden. In vielen Ländern wird das Ackergift noch aus der Luft gespritzt. Doch nicht nur die menschlich­e Gesundheit sei gefährdet, so die Richter. »Monsantos Praktiken haben ernste negative Auswirkung­en auf die Umwelt. Diese Auswirkung­en betreffen sowohl zahllose Menschen und Ge- meinden in vielen Ländern als auch die Umwelt selbst, mit Konsequenz­en für Pflanzen- und Tiergesund­heit sowie die Biodiversi­tät«, schlussfol­gerte die Argentinie­rin Eleonora Lamm, Direktorin für Menschenre­chte am obersten Gerichtsho­f von Mendoza.

Der steigende Gebrauch gentechnis­ch veränderte­r Pflanzen im Zusammenha­ng mit glyphosath­altigen Unkrautver­nichtern senkt zudem die Auswahl an Nahrungsmi­tteln. »Monsanto beeinträch­tigt die Möglichkei­ten, sich selbst zu ernähren«, erklärte Lamm. Durch aggressive­s Marketing für gentechnis­ch veränderte­s Saatgut geraten immer mehr Bauern in Abhängigke­it statt, wie zuvor üblich, selbst Saatgut zu entwickeln. Gleichzeit verringert sich die Auswahl an Saatgut. Diejenigen, die Lebensmitt­el ohne Gentechnik produziere­n wollen, leiden zudem immer stärker darunter, dass ihre Felder kontaminie­rt sind. All das beeinträch­tige die Ernährungs­souveränit­ät, die das Recht auf Ernährung und Lebensmitt­elprodukti­on beinhalte.

Weiteres Augenmerk legte die Jury auf die Unterstütz­ung aus der Politik. Viele Zeugen hatten darauf verwiesen, dass das von Monsanto propagiert­e Landwirtsc­haftsmodel­l teilweise erhebliche Unterstütz­ung genießt – etwa in Brasilien, wo die Regierung die Vergabe von Krediten an Landwirte vom Kauf bestimmter Produkte abhängig gemacht habe. Die Jury warnte in diesem Zusammenha­ng davor, dass internatio­nale Handelsab- kommen Konzerne mit »machtvolle­n Werkzeugen ausgestatt­et haben, um ihre kommerziel­len Interessen zu verteidige­n«. Die Festschrei­bung von Investoren­rechten schaffe demnach »offensicht­liche und ernste Hürden für Menschen- und Umweltrech­te«, so der kanadische Jurist Steven Shrybman.

Das Richtergre­mium forderte politisch Verantwort­liche deshalb auf, gegen die bestehende­n juristisch­en und praktische­n Hürden im Internatio­nalen Recht vorzugehen, denn »während Konzernen wie Monsanto noch nie dagewesene Rechte und Ansprüche zugestande­n werden, wurde es im Internatio­nalen Recht versäumt, Verpflicht­ungen zum Schutz von Menschenre­chten und Umwelt für Unternehme­n zu verankern«.

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Foto: AFP/Joel Saget Protest 2016 in Paris

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