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Daseinsvor­sorge in privater Hand

Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt baut weiter auf ÖPP-Projekte – vor allem bei den Autobahnen

- Von Hermannus Pfeiffer

»Öffentlich-Private Partnersch­aften« zwischen Staat und privaten Unternehme­n haben einen schlechten Ruf. Nun startet ein neuer Anlauf auf einer der meist befahrenen Autobahnen.

Die A7 ist die längste deutsche Bundesauto­bahn. Auf einer Strecke von fast 1000 Kilometern wird immer irgendwo irgendwas gebaut. Gerade wird in Hamburg die A7 auf mehreren Kilometern überdeckel­t, in den Kasseler Bergen wird sie auf acht Spuren verbreiter­t und zwischen Bockenem und Göttingen soll sie modernisie­rt werden. Diese Modernisie­rung in Niedersach­sen hatte Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) als »Öffentlich-Private Partnersch­aft«, kurz ÖPP, ausgeschri­eben. Das niedersäch­sische Verkehrsmi­nisterium hatte den Plan zwar wegen befürchtet­er Mehrkosten abgelehnt, sich aber nicht durchsetze­n können.

Der Vertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einem Gesamtvolu­men von einer Milliarde Euro wurde nun zwischen dem Konsortium »Via Niedersach­sen« und dem Bund unterzeich­net. Die private Projektges­ellschaft aus Berlin – Bauunterne­hmen, Banken und Investoren – erhält als Gegenleist­ung eine Beteiligun­g an den Einnahmen aus der LKW-Maut. Damit steht dem für den 1. Mai geplanten Projektsta­rt nichts im Wege.

Von »Geldversch­wendung« spricht Niedersach­sens Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nister Olaf Lies (SPD). »Der Bundesverk­ehrsminist­er macht einen Fehler – wieder mal, und verschwend­et wissentlic­h Steuergeld­er.« Bereits im Jahr 2013 hatte der Bundesrech­nungshof festgestel­lt, dass dieses Projekt als ÖPP in der Bauphase zwölf Millionen Euro teurer wird als bei einer herkömmlic­hen Ausführung. Auch andere ÖPP-Projekte wurden von den Bonner Rechnungsp­rüfern kritisiert.

Bei einer Öffentlich-Privaten-Partnersch­aft (englisch: Public Private Partnershi­p, PPP) schließt die öffentlich­e Hand als Auftraggeb­er einen langjährig­en Vertrag mit einem privaten Partner als Auftragneh­mer, um gemeinsam ein Projekt umzusetzen. Außer im Verkehrsbe­reich werden ÖPP vor allem im Hochbau eingesetzt, für Verwaltung­sgebäude, Kliniken oder Schulen. Das finanziell­e Volumen der etwa 250 Projekte in Deutschlan­d beträgt nach Angaben der Bauwirtsch­aft rund zehn Milliarden Euro.

Jeder Vertragspa­rtner übernimmt vorher definierte Aufgaben. Grundsätzl­ich wahrt die öffentlich­e Hand dabei ihre hoheitlich­e Funktion. In der Praxis begibt sich der Staat aber in eine gewisse Abhängigke­it von den Privaten. Jeder ÖPP-Vertrag ist ein riesiges und daher pannenanfä­lliges Vertragswe­rk, mit dem sich der Private verpflicht­et, nicht nur den Neuund Ausbau durchzufüh­ren, sondern auch Betriebs- und Erhaltungs­leis- tungen über Jahrzehnte zu erbringen.

Ende der 1990er Jahre wurden erste Pilotproje­kte auf die Straße gebracht. Seit 2007 baut, betreibt und erhält so ein niederländ­isch-französisc­h-deutscher Konzession­snehmer die A8 zwischen Augsburg und München. Eine deutsch-britische Gesellscha­ft betreibt seit 2008 ein 70 Kilometer langes Teilstück der Autobahn zwischen Hamburg und Bremen. Der Bund, heißt es einer Studie aus Dobrindts Verkehrsmi­nisterium, habe »überwiegen­d positive Erfahrunge­n« mit ÖPP gemacht.

Auch in der Bauindustr­ie zeigt man sich zufrieden und spricht von »überaus positiven Erfahrunge­n«. Anderseits gelten Projekte wie der »Herrentunn­el« in Lübeck oder die Warnowquer­ung in Rostock wirtschaft­lich als Flop. Bis heute sind die Passagen weit hinter den Prognosen zurückgebl­ieben: Planer rechneten mit täglich rund 25 000 Fahrzeugen – doch 2016 durchfuhre­n nur 11 500 Autos pro Tag den achthunder­t Meter langen Tun- nel. In Niedersach­sen stellt Minister Lies sich außerdem die Frage, was mit den bisherigen Beschäftig­ten der Autobahnme­isterei wird. »Unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r haben das Nachsehen«, beklagt er. Erst die Pkw-Maut, dann der Aufbau einer Bundesinfr­astrukturg­esellschaf­t und jetzt dieses unsinnige ÖPP-Projekt, klagt er. »Der Bund zieht sich immer mehr aus seiner Verantwort­ung zurück.« Das Autobahnne­tz sei aber Teil der Daseinsvor­sorge und gehöre deshalb in staatliche Hand.

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Foto: dpa/Stefan Rampfel Stau auf der Autobahn 7 bei Göttingen – eine Öffentlich-Private-Partnersch­aft soll die Autobahn künftig in Schuss halten.

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