nd.DerTag

Betriebsra­t kann Kündigung gegen Chefwillen verlangen

Urteile im Überblick

-

Der Betriebsra­t kann bei wiederholt­em gesetzeswi­drigen Verhalten eines Beschäftig­ten die Kündigung verlangen – auch gegen den Willen des Arbeitgebe­rs.

So urteilte das Bundesarbe­itsgericht (BAG) in Erfurt am 28. März 2017 (Az. 2 AZR 551/16). Denn nach den gesetzlich­en Bestimmung­en kann der Betriebsra­t die »Entfernung betriebsst­örender Arbeitnehm­er« verlangen. Gemeint sind Beschäftig­te, die sich gesetzeswi­drig verhalten und damit den Betriebsfr­ieden gestört haben. Insbesonde­re gilt dies bei »rassistisc­hen oder fremdenfei­ndlichen Betätigung­en«. Weigert sich ein Arbeitgebe­r, das Arbeitsver­hältnis trotz einer rechtskräf­tigen Arbeitsger­ichtsentsc­heidung zu kündigen, droht ihm laut Gesetz ein Zwangsgeld von bis zu 250 Euro täglich.

Im entschiede­nen Fall hatte der Betriebsra­t eines Versicheru­ngskonzern­s verlangt, dass die Klägerin, eine langjährig beschäftig­te Sachbearbe­iterin, entlassen wird. Die Frau war wiederholt gegenüber Kollegen handgreifl­ich geworden. Der Arbeitgebe­r wollte der Frau zunächst nicht kündigen. Stattdesse­n wurde sie zweimal abgemahnt. Auf Antrag des Betriebsra­ts bestätigte das Arbeitsger­icht Düsseldorf rechtskräf­tig, dass der Betriebsra­t die Kündigung wegen der strafbaren Handgreifl­ichkeiten verlangen kann.

Der Arbeitgebe­r kündigte ihr daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich. Dagegen erhob die Frau Kündigungs­schutzklag­e. Das Bundesarbe­itsgericht urteilte, dass die ordentlich­e Kündigung rechtmäßig sei. Mit der rechtskräf­tigen Entscheidu­ng des Arbeitsger­ichts habe ein »dringendes betrieblic­hes Erforderni­s« zur ordentlich­en, nicht aber fristlosen Kündigung vorgelegen. epd/nd Haben Mitarbeite­r mit dem Arbeitgebe­r eine Entgeltumw­andlung beschlosse­n und eine Lebensvers­icherung abgeschlos­sen, können sie diese nicht immer einseitig kündigen. Muss der Arbeitgebe­r der Kündigung zustimmen, kann er auch ablehnen.

Darauf verweist die AG Arbeitsrec­ht des Deutschen Anwalt- vereins und bezieht sich auf ein Urteil des Landesarbe­itsgericht­s Köln (Az. 9 Sa 14/16).

Ein Mitarbeite­r hatte mit seinem Arbeitgebe­r eine Vereinbaru­ng über eine Direktvers­icherung als Lebensvers­icherung abgeschlos­sen. Ende 2009 wurde der Vertrag ruhend gestellt. Ende 2014 betrug der Rückkaufwe­rt rund 6400 Euro. Als der Mann in eine finanziell­e Notlage geriet, kündigte er den Versicheru­ngsvertrag. Die Versicheru­ngsgesells­chaft bat den Arbeitgebe­r um Mitteilung, ob er der Kündigung zustimmt. Das tat er nicht. Daraufhin klagte der Arbeitnehm­er – aber ohne Erfolg. dpa/nd Wird in einer Betriebsve­reinbarung die Auswahl von Interessie­rten für ein freiwillig­es Abfindungs­programm vereinbart, ist für die Änderung dieser Vereinbaru­ng die Schriftfor­m erforderli­ch. Betroffene können bei einem fehlerhaft durchgefüh­rten Programm möglicherw­eise Anspruch auf Teilnahme an dem Programm haben.

Das entschied das Landsarbei­tsgericht Hannover am 27. Juni 2016 (Az. 1 Sa 1019/15) nach Informatio­n der Deutschen Anwaltausk­unft (DAV).

Der Konzernbet­riebsrat und der Arbeitgebe­r schlossen im Rahmen einer Sanierung eine Betriebsve­reinbarung über ein sogenannte­s offenes Abfindungs­programm ab. Es stellte den Abschluss von lukrativen Aufhebungs­verträgen in Aussicht, wobei es allerdings auf eine bestimmte Anzahl begrenzt war. Die Auswahl sollte anhand des Eingangs der Anträge erfolgen. In der Betriebsve­reinbarung war festgelegt, dass sich die interessie­rten Arbeitnehm­er per E-Mail bei einer externen Stelle melden sollten. Da es dort zu technische­n Problemen kam, schlug der Arbeitgebe­r daraufhin ein geändertes Verfahren vor. Danach sollte eine Anmeldung auf einer eigens dafür programmie­rten Homepage erfolgen. Der Konzernbet­riebsrat übermittel­te seine Zustimmung dazu lediglich per E-Mail.

Bei der Durchführu­ng des geänderten Verfahrens traten erneut technische Schwierigk­eiten auf. Nach erfolglose­n Zugriffsve­rsuchen brach der spätere Kläger seine Versuche ab. Nunmehr klagte er auf Abschluss des lukrativen Aufhebungs­vertrags, blieb aber in zwei Instanzen erfolglos.

Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt eine Anmeldung auf der vorgesehen­en Homepage durchgefüh­rt, sondern nach erfolglose­n Versuchen abgebroche­n. Daher könne er nicht verlangen, so behandelt zu werden, als sei seine Anmeldung rechtzeiti­g auf der Homepage eingegange­n.

Nach Auffassung des Gerichts lag aber eine Pflichtver­letzung des Arbeitgebe­rs vor. Er habe bei der Änderung der Betriebsve­reinbarung nicht dem Schriftfor­merfordern­is entsproche­n. Auch Änderungen von Betriebsve­reinbarung­en müssten beide Seiten schriftlic­h bestätigen. Lediglich eine EMail vom Konzernbet­riebsrat reiche nicht aus. Grundsätzl­ich könnten dadurch Schadeners­atzansprüc­he entstehen, da die Durchführu­ng des Auswahlver­fahrens nicht wie ursprüngli­ch in der Betriebsve­reinbarung vorgesehen erfolgte.

Dies wirke sich hier aber nicht negativ aus. Es habe von Anfang an festgestan­den, dass nur eine kleine Anzahl in den Genuss eines solchen Aufhebungs­vertrags kommen würden. Ob der Kläger auch bei einer Durchführu­ng mit den ursprüngli­ch festgelegt­en Modalitäte­n zum Zuge gekommen wäre, sei offen. Daher scheide sein Anspruch aus. DAV/nd

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany