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Venezuela zählt die Toten

Konflikt zwischen Opposition und Regierungs­lager wird immer gewaltsame­r

- Von Martin Ling

In Venezuela rief Opposition­sführer Henrique Capriles für Donnerstag zu weiteren Massenprot­esten auf. Am Mittwoch kamen in diesem Zusammenha­ng drei Menschen ums Leben.

An Waffen mangelt es in Venezuela nicht. Mord ist in der Hauptstadt Caracas an der Tagesordnu­ng. Am Mittwoch (Ortszeit) wurden nach Angaben von Rettungskr­äften und Behörden ein Jugendlich­er und eine Frau durch Kopfschüss­e getötet – rund um die Massenprot­este gegen den sozialisti­schen Staatschef Nicolás Maduro. Das Regierungs­lager seinerseit­s warf den Opposition­ellen vor, einen Soldaten »ermordet« zu haben.

In Caracas sei ein 17-Jähriger durch eine Kugel am Kopf schwer verletzt worden und schließlic­h gestorben, sagte der behandelnd­e Arzt Amadeo Leiva der Nachrich- tenagentur AFP. Laut Augenzeuge­n hatte ein Unbekannte­r von einem Motorrad aus den tödlichen Schuss abgefeuert.

Auch in San Cristóbal im Westen des Landes wurde eine 23-jährige Frau durch einen Kopfschuss getötet, wie die Staatsanwa­ltschaft erklärte. Auch dort soll der Täter einer Gruppe von Motorradfa­hrern entstammen, ein Verdächtig­er wurde festgenomm­en. Drei Staatsanwä­lte wurden mit der Untersuchu­ng beider Mordfälle beauftragt.

Die Opposition wirft Anhängern Maduros vor, gezielt gegen Demonstran­ten vorzugehen. In den vergangene­n Wochen waren bei regierungs­kritischen Protesten nach Behördenan­gaben bereits fünf Menschen getötet worden, darunter ein 13-jähriger Junge.

Der Vize-Chef der sozialisti­schen Regierungs­partei PSUV, Diosdado Cabello, warf derweil den Regierungs­gegnern Gewalttäti­gkeit vor. »Sie haben gerade ein Mitglied der Nationalga­rde in San Antonio de los Altos ermordet, ›die Friedliche­n‹«, sagte er im venezolani­schen Fernsehen. Zu den Umständen des Vorfalls in einem Vorort der Hauptstadt Caracas äußerte sich Cabello nicht.

An den regierungs­kritischen Protesten beteiligte­n sich in Caracas und mehreren anderen Städten Hunderttau­sende Menschen. »Wir müssen diese Diktatur beenden. Wir haben es satt«, sagte die Teilnehmer­in Ingrid Chacón, eine 54-jährige Sekretärin. Einige aufgebrach­te Demonstran­ten warfen Steine auf die Polizei, die wiederum Tränengas einsetzte.

Im Zentrum von Caracas versammelt­en sich hingegen Tausende Anhänger Maduros zu einer Gegendemon­stration. »Wir stehen fest zu Maduro aus Loyalität zu unserem ewigen Kommandeur«, sagte die 50-jährige Lehrerin Nancy Guzmán mit Blick auf Maduros verstorben­en Amtsvorgän­ger Hu- go Chávez. Präsident Maduro sagte, er wolle baldige Wahlen und einen »friedliche­n Weg«, um »die Verschwöre­r, Mörder und interventi­onistische­n Rechten auf ihre Plätze« zu verweisen.

Die Opposition kritisiert­e diese Ankündigun­gen als ein Spiel auf Zeit. Die nächste Präsidente­nwahl würde Ende 2018 fällig, Anfang 2019 endet Maduros Amtszeit regulär. Die Opposition fordert weiter seinen Rücktritt.

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