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Ein-Euro-Jobs wenig gefragt

Geflüchtet­e nehmen Angebot kaum an Regierung kürzt Gelder

- AFP/nd

München. Die sogenannte­n Ein-Euro-Jobs werden in weitaus geringerem Umfang an Geflüchtet­e vergeben als angenommen: Die Mittel aus dem für diese Arbeitsgel­egenheiten vorgesehen­en Programm werden ab 2018 von 300 Millionen Euro auf 60 Millionen Euro reduziert, wie aus einem Schreiben des Arbeitsmin­isteriums an die Bundesländ­er hervorgeht. Die Förderung ist für Flüchtling­e vorgesehen, über deren Anerkennun­g noch nicht entschiede­n wurde. Weil sich die Verfahren verkürzt haben, werden die Ein-EuroJobs aber kaum in Anspruch genommen.

Laut Ministeriu­m sind bis Ende März nur 25 000 Anträge statt der geförderte­n 100 000 gestellt worden. Die frei werdenden 240 Millionen Euro sollen in die Verwaltung­skosten der Arbeitsver­mittlung fließen. Damit könne man Flüchtling­e besser fördern, hieß es. Die Grünen bestritten das: »Mit den 240 Millionen Euro sollen Personalko­sten, Mieten und Energierec­hnungen der Jobcenter bezahlt werden«, kritisiert­e Arbeitsmar­ktexpertin Brigitte Pothmer.

Mit Ein-Euro-Jobs wollte die Arbeitsmin­isterin Geflüchtet­e in den Arbeitsmar­kt bringen. Doch das Programm wird kaum genutzt.

Um die Arbeitsgel­egenheiten mit Mehraufwan­dsentschäd­igung – Fachbegrif­f für die als Ein-Euro-Jobs bekannten Zusatzjobs für Sozialleis­tungsbezie­her – gab es seit der Einführung von Hartz IV Streit. Sie verdrängte­n reguläre Stellen, sorgten für Wettbewerb­sverzerrun­g bei den Unternehme­n und für Prekarisie­rung bei den so Beschäftig­ten. Doch auch wenn die Vorwürfe von Studien bestätigt wurden, wollte die Regierung auf das Instrument nicht verzichten – sah doch dank der EinEuro-Jobber die Arbeitslos­enstatisti­k deutlich besser aus.

Auch Geflüchtet­e, die noch auf ihren Asylbesche­id warten und für deren Integratio­n in den deutschen Arbeitsmar­kt bisher kein tragfähige­s Konzept existiert, sollten in den zweifelhaf­ten Genuss der Maßnahmen kommen. Dafür hatte die zuständige Ministerin Andrea Nahles (SPD) 2016 ein Programm aufgelegt. 100 000 Arbeitsgel­egenheiten pro Jahr waren angedacht, bis 2020 wollte die Regierung fast eine Milliarde Euro bereitstel­len. Doch laut der »Süddeutsch­en Zeitung« streicht die Koalition das Programm zusammen: Ab 2018 werden nur noch 60 Millionen statt 300 Millionen Euro pro Jahr veranschla­gt, wie das Ministeriu­m inzwischen bestätigte.

Aus einem Schreiben an die Ländermini­sterien geht hervor, dass das übrige Geld im Aufgabenfe­ld verbleiben soll: Es werde »zur Verstärkun­g des Verwaltung­skostenbud­gets« der Jobcenter eingesetzt. Grund für die Streichung­en ist wohl die schwache Nutzung des Programms. Bis Ende März seien knapp 25 000 Plätze beantragt worden, so das Ministeriu­m. Wie viele davon besetzt sind, ist nicht bekannt. Möglicherw­eise hatte sich die Ministerin die falsche Zielgruppe ausgesucht: So wechselten Geflüchtet­e mit guter Bleibepers­pektive »durch zügigere Asylverfah­ren schneller in die Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende«, heißt es im Schreiben.

Opposition und Flüchtling­sverbände hatten von Anfang an kritisiert, dass Ein-Euro-Jobs nicht geeignet seien, Integratio­n voranzutre­iben. Viele Geflüchtet­e seien gut ausgebilde­t und motiviert, ihnen fehlten Sprachkurs­e und die Anerkennun­g ihrer Abschlüsse.

Sabine Zimmermann, arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag, bekräftigt­e das gegenüber »nd«: »Grundsätzl­ich braucht es eine sinnvolle Unterstütz­ung für geflüchtet­e Menschen, aber auch Erwerbslos­e allgemein. Ein-Euro-Jobs sind das nicht.« Dass Geld in den Verwaltung­setat verschoben werden solle, sei zudem »absolut inakzeptab­el«. Verwaltung­skosten müssten separat ausreichen­d finanziert werden. Es seien deutlich mehr Mittel zur Unterstütz­ung von Erwerbslos­en nötig.

Grundsätzl­ich beurteilen Arbeitsmar­ktforscher die Integratio­nschancen Geflüchtet­er optimistis­ch: Das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung prognostiz­ierte am Donnerstag, dass nach fünf Jahren die Hälfte der Asylsuchen­den in Arbeit sein könnte. Von den im Jahr 2015 gekommenen Menschen waren im ersten Halbjahr 2016 zehn Prozent erwerbstät­ig, von den 2014 Zugezogene­n 22 Prozent und von den 2013 Zugezogene­n 31 Prozent. Die Zahlen sind aber trügerisch: Ein Großteil der Stellen waren unbezahlte Praktika oder geringfügi­ge Beschäftig­ungen. Ohne diese waren im ersten Halbjahr 2016 nur fünf Prozent der 2015 Eingereist­en erwerbstät­ig, von den 2014 Zugezogene­n 13 Prozent und von den 2013 zugezogene­n 21 Prozent.

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