Taste the Arbeitskampf
Ein Streik in einem spanischen Coca-Cola-Werk hat Beschäftigten hierzulande genützt
Wie ein Streik bei Coca-Cola in Spanien hierzulande wirkte.
Dass internationale Zusammenarbeit wichtig ist, wissen viele Beschäftigte. Bei Coca Cola haben Streikende in Spanien Beschäftigten in Deutschland geholfen, ohne dass ihnen das klar war.
Zwei Betriebsräte aus dem spanischen Coca-Cola-Werk Fuenlabrada haben kürzlich ihren Kollegen in Hessen einen Besuch abgestattet. »Paco, Juan Carlos und ihre Kollegen in Fuenlabrada haben unsere Tarifverhandlungen positiv beeinflusst, ohne dass sie es damals wussten.« Mit diesen Worten erinnerte der deutsche Coca-Cola-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Johan Botella bei einer Veranstaltung im DGB-Haus in Frankfurt am Main an das Frühjahr 2015. Damals handelte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für deutsche Coca-Cola-Betriebe einen Sozialtarifvertrag mit relativ großen Zugeständnissen seitens der Arbeitergeberseite aus.
»Das ist uns nur gelungen, weil mitten in diesen Verhandlungen der Kampf um Fuenlabrada stattfand, der die gesamte Coca-Cola-Welt schockierte«, formuliert Botella. Das Kon- zernmanagement habe alles daran gesetzt, weiteren Schaden einzudämmen und Störfeuer in einem anderen Land zu verhindern. »Das hat uns tatsächlich ohne Streik zu einem ordentlichen Tarifvertrag verholfen«, ist sich Botella sicher. »Was die Kollegen in Fuenlabrada hinter sich haben, kann sich in Deutschland noch keiner vorstellen. Unsere Arbeit liegt jetzt darin, ständig in Betriebsversammlungen zu erzählen, was dort stattgefunden hat«, betont der Betriebsrat.
Paco Bermejo und Juan Carlos Asenjo, Betriebsräte und Aktivisten der Gewerkschaft Arbeiterkommissionen (CCOO), waren vormittags auf dem Frankfurter Flughafen gelandet. Schon eine halbe Stunde später reihten sie sich in eine Demonstration der Coca-Cola-Arbeiter in Liederbach in der Nähe von Frankfurt am Main ein. Die Beschäftigten waren im Rahmen der laufenden bundesweiten Tarifrunde für die Betriebe des Getränkekonzerns mit Beginn der Frühschicht in den Warnstreik getreten. Das Werk gilt als NGG-Bastion. Mit Parolen wie »Hoch die internationale Solidarität« zogen sie durch die beschauliche Gemeinde. Bermejo und Asenjo stärkten den Streikenden mit Grußbot- schaften und Gesprächen im Streiklokal den Rücken und berichteten am Abend in Frankfurt über ihren jahrelangen Kampf in Fuenlabrada.
Über die Jahre hatten die Gewerkschafter in der modernen Abfüllanlage vor den Toren Madrids mit 600 Arbeitsplätzen und elf Abfülllinien relativ hohe Löhne und erträgliche Arbeitsbedingungen erkämpft. An- fang 2014 kam die Hiobsbotschaft: Der Konzern verkündete, dass er den Betrieb schließen will. Die Beschäftigten in Fuenlabrada traten in einen unbefristeten Streik. Wenige Tage später flatterten ihnen Kündigungsbriefe ins Haus. »Wir gingen aufs Ganze und konnten das Management in die Defensive drängen«, erzählt Asenjo. »Wir haben auf juristischer, gewerkschaftlicher, gesell- schaftlicher und politischer Ebene gekämpft und bei insgesamt 600 verschiedenen Aktivitäten viel Solidarität und Zuspruch erfahren.«
Das wirkte. Gerichte erklärten Schließung und Kündigungen für unwirksam und ordneten die Weiterbeschäftigung zu den alten Bedingungen an. Im Herbst 2015 zogen 236 Beschäftigte wieder in den Betrieb ein – der harte Kern der Belegschaft, der durchgehalten und die angebotenen Abfindungen abgelehnt hatte.
Doch der Kampf um die Zukunft des Betriebs geht weiter. Viele Anlagen wurden während des Streiks demontiert. Gegen Asenjo als vermeintlichen »Rädelsführer« haben die Manager Strafverfahren beantragt.
Um auf Streiks reagieren zu können, habe der Coca-Cola-Konzern europaweit riesige Lkw-Flotten aufgebaut, berichtet Botella. Die Gewerkschafter reagieren darauf wiederum mit verstärktem Informationsaustausch. So konnten dieser Tage durch gewerkschaftlichen Druck in belgischen Coca-Cola-Betrieben Zusatzschichten verhindert werden, mit denen das Management streikbedingte Produktionsausfälle an deutschen Standorten ausgleichen wollte.
In Belgien wurden Zusatzschichten verhindert, mit denen der Konzern Produktionsausfälle durch Streiks ausgleichen wollte.