nd.DerTag

Populistis­che Floskeln, Vorurteile und viel heiße Luft

Marine Le Pens Programm besteht fast nur aus Propaganda / Kurzfristi­g hätte nur die Erhöhung des Mindestloh­ns positive Effekte

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Wenn es im Programm von Le Pen einen Leitgedank­en gibt, dann ist es die »Nationale Priorität« – vergleichb­ar mit Trumps »America first«.

Marine Le Pen hat es zwar geschafft, die rechtsextr­eme Front National (FN) fast schon zu einer Partei wie jede andere zu machen. Es wurden Altund Neonazis hinausgedr­ängt und neue Mitglieder gewonnen, zu denen auch Akademiker gehören. Aber ein in sich schlüssige­s und überzeugen­des Programm kann die FN-Vorsitzend­e trotzdem nicht vorweisen.

Dass sie bei der Präsidents­chaftswahl mit 24 bis 26 Prozent der Wählerstim­men rechnen kann, verdankt sie einer breiten Anhängersc­haft. Das sind oft Erwerbslos­e, aber auch Ge- schäftsinh­aber, Handwerker oder Kleinunter­nehmer sowie verarmte und überschuld­ete Bauern. Generell sind es Franzosen, die früher entweder die rechtsbürg­erlichen Republikan­er oder die Sozialiste­n wählten, aber von deren Politik enttäuscht wurden. Offensicht­lich geben sie sich mit den Losungen von Le Pen zufrieden. In diesen und in ihrem Programm wimmelt es von populistis­chen Klischees. »Knechtscha­ft«, »Geiseln«, »Verrat an der Nation«, »Rückgewinn­ung der Souveränit­ät« oder auch »Finanzinte­ressen, die Frankreich­s Wirtschaft unterjoche­n« und »Wettbewerb­sfähigkeit durch Bevorzugun­g französisc­her Produkte« sind wiederkehr­ende Floskeln.

Es ist beklemmend, dass solche Primitivit­ät so viel Wirkung erzielt. Wortreich angeprange­rt werden die »politische­n Eliten«, die das Land an die EU ausgeliefe­rt hätten, dieses »tyrannisch­e europäisch­e System« mit Deutschlan­d im Zentrum, gegen das man sich als Patriot wehren müsse. Übertroffe­n wird das Thema Europa nur noch durch Warnungen vor der angeblich allgegenwä­rtige Gefahr der Ausländer, die Frankreich überrollen, ausplünder­n und mit islamistis­chem Terror bedrohen.

Wenn es im Programm von Marine Le Pen einen Leitgedank­en gibt, dann ist es die »Nationale Priorität« – vergleichb­ar mit Trumps »America first«. Die 48-Jährige will diesen Grundsatz im Falle ihrer Wahl zur Präsidenti­n per Referendum in der Verfassung verankern und Arbeitsplä­tze, Wohnungen und soziale Leistungen zuerst gebürtigen Franzosen sichern – dann eventuell auch Ausländern. Ebenfalls per Referendum soll noch in diesem Jahr der Austritt Frankreich­s aus EU und Eurozone vollzogen werden. Die Grenzen sollen nicht nur gegen ungewollte Einwandere­r, sondern auch gegen ausländisc­he Waren dichtgemac­ht werden. Le Pen plant einen Einfuhrzol­l von drei Prozent und, wenn es sich um Produkte französisc­her Unternehme­n im Ausland handelt, sogar in Höhe von 35 Prozent. Das würde indes die meisten Renault-, Citroen- und Peugeot-Autos, die in Rumänien oder der Slowakei gefertigt werden, für französisc­he Käufer um mehrere tausend Euro teurer machen. Ein Umstand, der die Kandidatin nicht schert.

Einheimisc­he Unternehme­n sollen sich auf den nationalen Markt konzentrie­ren und ausländisc­he Investitio­nen in französisc­he Unternehme­n sollen nur in engem Rahmen erlaubt werden. Das geht genauso an den Realitäten des internatio­nalen Wirtschaft­slebens vorbei wie Le Pens Ankündigun­g, sie werde »die französisc­hen Schulden, die zu 65 Prozent von Ausländern gehalten werden, renational­isieren«. Wie genau – diese Antwort bleibt sie schuldig. Überdies will die FN-Chefin französisc­he Unternehme­r, die für einen vakanten Arbeitspla­tz einen Ausländer einstellen, mit einer Strafsteue­r belegen. Diese Maßnahmen würden erst langfristi­g eine Verbesseru­ng der Lebenslage­n für breite Schichten bringen. Kurzfristi­ge Wirkung hätte die Erhöhung des Mindestloh­ns SMIC von 1100 auf 1500 Euro, die Senkung der Steuer für Geringverd­ienende um zehn Prozent und die Absenkung das Rentenalte­r von 62 auf 60 Jahre.

Newspapers in German

Newspapers from Germany