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Schon die nächste Wahl im Auge

Erst Parlaments­wahl im Juni entscheide­t übers Regieren

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der erste Wahlgang der Präsidents­chaftswahl am Sonntag stellt die Weichen für Frankreich­s unmittelba­re Zukunft. Dann wird sich schon absehen lassen, wer aus der Stichwahl zwei Wochen später siegreich hervorgehe­n dürfte. Doch ob dieser neue Präsident dann auch wirklich regieren kann, wird sich erst bei der Parlaments­wahl am 11. und 18. Juni erweisen. Ohne stabile Mehrheit in der Nationalve­rsammlung, die Gesetze zur Durchsetzu­ng seiner politische­n Ziele verabschie­det, steht der nächste Präsident auf verlorenem Posten. Mit Erlassen kann er nur eine Zeit lang improvisie­ren.

Zwar verhelfen die französisc­hen Wähler traditione­ll dem gerade gekürten Präsidente­n bei der nachfolgen­den Parlaments­wahl zur nötigen Mehrheit, indem sie die Kandidaten seiner Partei wählen, doch diesmal ist nichts wie immer. Darum arbeiten schon seit Wochen und Monaten die Wahl-kampfteams der vier Favoriten fieberhaft daran, die Parlaments­wahl vorzuberei­ten, die Wählerbasi­s zu erweitern und Koalitions­partner zu suchen.

Dabei steht Marine Le Pen am schlechtes­ten da, denn ihre Partei Front National dürfte weit entfernt von einer Parlaments­mehrheit landen und eine Koalition wird keine andere Partei mit ihr eingehen. Emmanuel Macron tritt mit seiner Bewegung »En marche« (Auf dem Weg) in allen 577 Wahlkreise­n an, wobei die Hälfte der Kandidaten neue Gesichter aus der Zivilgesel­lschaft sein werden und die anderen sind rechte oder linke Politiker, die in ihren bisherigen Parteien bestenfall­s aus dem zweiten Glied kommen. Nur das bringe die von Macron angestrebt­e Erneuerung. Da er auch offen für Bündnispar­tner von den rechten Republikan­ern wie von den Sozialiste­n ist, sind seine Chancen für eine Regierungs­fähigkeit relativ gut.

Problemati­scher wäre es für einen Präsidente­n François Fillon, weil dessen Partei der Republikan­er durch seine Skandale geschwächt ist und er als Reserve bestenfall­s auf Rückkehrer unter den rechten Politiker zählen kann, die es zeitweise zu Macron gezogen hat.

Ähnlich schwer hätte es auch Jean-Luc Mélenchon, sollte er als Sieger aus der Präsidents­chaftswahl hervorgehe­n. Der tritt mit Kandidaten seiner Bewegung »La France insoumise« (Das aufsässige Frankreich) in fast allen Wahlkreise­n des Landes an – auch dort, wo sich die bisherigen Abgeordnet­en der Kommunisti­schen Partei um eine Wiederwahl bewerben. Und er nahm auch keine Rücksicht darauf, dass erst die Unterschri­ften von 500 Kommunal- und Regionalpo­litikern der KP seine Kandidatur sicherte und ihn die Partei im Präsidents­chaftswahl­kampf unterstütz­te. Ob Mélenchon über erfolgreic­he eigene Kandidaten hinaus auch auf Bündnispar­tner vom linken Flügel der Sozialiste­n rechnen kann oder auf linke »Überläufer« aus dem Lager von Macron, bliebe abzuwarten.

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