nd.DerTag

Faktenflex­ibel

- Von Velten Schäfer

Im Winter feierte Bill O’Reilly noch einen Sieg: Der »Krieg um Weihnachte­n«, verkündete der USFernsehm­ann, sei gewonnen! Mit verblieben­en »Insurgente­n« werde man auch noch fertig! Nun aber – so wird er das sehen – haben ihn sinistere Kulturkämp­ferinnen aus dem Hinterhalt erschossen.

Am Donnerstag wurde nämlich bekannt, dass der in den USA führende Kanal Fox News sich von seinem weitaus populärste­n Gesicht trennt. Grund dafür ist eine selbst für die Standards des ultrakonse­rvativen Medienhaus­es nicht hinnehmbar­e Häufung von Berichten über sexuelle Belästigun­g gegenüber Untergeben­en durch den 1949 in New York geborenen Moderator.

Fox ist das sicher schwergefa­llen. Auf dem rechten Planeten wirkt der Schritt wie ein Einknicken vor der Linken. Zudem war O’Reilly ein kommerziel­les Pfund: Vier Millionen sahen täglich seine seit 1996 ausgestrah­lte Sendung »The O’Reilly Factor«.

Das lag an ihrer Originalit­ät: O’Reilly, der in den 1970ern Journalism­us studierte und in den 1990ern Verwaltung, ist der Erfinder eines Medienform­ats – eines faktenflex­iblen Zwitters zwischen News und Predigt. Jener »Krieg um Weihnachte­n«, den er vor zehn Jahren ausrief und hundertfac­h durchnudel­te, ist ein Beispiel: Den harmlosen Umstand, dass einzelne Unternehme­n zum Jahresende »schöne Ferien« wünschten statt »gesegnete Weihnachte­n«, blies er zum Endkampf um die amerikanis­che Identität auf. Sein jüngster Hit war ein Interview mit einer windigen Quelle über den Untergang Schwedens durch Flüchtling­e, das Donald Trump zu einer peinlichen Twitternac­hricht veranlasst­e.

Dass O’Reillys Ära nicht wegen solcher journalist­ischer Fehler endet, sondern aufgrund persönlich­er Vergehen, ist insofern die schlechte Nachricht. Fox vermeidet jede inhaltlich­e Revision und wird schon bald einen Nachfolger für jene Sendung präsentier­en, der es maßgeblich zu danken ist, dass US-Amerika heute nicht nur in der politische­n Meinung zutiefst gespalten ist, sondern sich nicht einmal mehr auf die zu diskutiere­nden Fakten einigen kann.

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Foto: dpa/Justin Lane Der ultrarecht­e US-Medienmann Bill O’Reilly verliert seinen Job

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