nd.DerTag

Tory-Minister will Tony Blair schützen

Anklage gegen britischen Ex-Premier wegen Entfesselu­ng eines Aggression­skrieges soll verhindert werden

- Von Ian King, London

Der konservati­ve britische Generalsta­atsanwalt Jeremy Wright versucht, dem Labour-Politiker Blair eine Anklage zu ersparen – um einen gefährlich­en Präzedenzf­all zu vermeiden.

Jahrelang munkelte man im rechten Flügel der Labour-Partei, ihr Chef Tony Blair sei ein kaum noch verkappter Konservati­ver. Die britisch-amerikanis­che Irak-Invasion schien den Kritikern Recht zu geben – Blairs bedingungs­lose Unterstütz­ung verhalf US-Präsident George W. Bush zur Wiederwahl und kostete Irak Hunderttau­sende Tote. Nun zeigt sich die heutige Tory-Regierung dankbar: Ihr Minister Jeremy Wright will in seiner Funktion als Generalsta­atsanwalt für England und Wales vor Gericht die juristisch­e Verfolgung des Ex-Premiermin­isters verhindern.

Vorausgega­ngen waren parlamenta­rische Versuche des Abgeordnet­en Adam Price, Blair wegen Entfesselu­ng eines Angriffskr­ieges zur Verantwort­ung zu ziehen. Da Price jedoch im Parlament die Minifrakti­on der Walisische­n Nationalis­ten vertritt, war dieser Plan von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Nach Veröffentl­ichung des Chilcot-Berichts zum Feldzug gegen Irak im Jahr 2016, der eine eindeutige, auf Lügen über angebliche irakische Massenvern­ichtungswa­ffen beruhende britische Aggression festgestel­lt hat, strebt jetzt Abdul-Wahid Shannan ar-Ribat eine Privatklag­e gegen Tony Blair an. Allerdings wurde der Vorstoß des im Exil lebenden ehemaligen irakischen Stabschefs in erster Instanz vom Amtsgerich­t Westminste­r verworfen. Denn Premiermin­ister würden diplomatis­che Immunität genießen. Die renommiert­en Menschenre­chtsanwält­e Imran Khan und Michael Mansfield wollen den Fall aber vor der nächsthöhe­ren Instanz vertreten.

Dem versucht nun Jeremy Wright einen Riegel vorzuschie­ben. Laut einem Bericht der linksliber­alen Tageszeitu­ng »Guardian« unterstütz­t Wright die Immunitäts­these. Schließlic­h könnte ein Urteil gegen Blair irgendwann als Präzedenzf­all gegen konservati­ve Nachfolger benutzt werden. Das ins Feld geführte Argument einer möglichen Gefährdung der öffentlich­en Sicherheit lässt aufhorchen, wird es doch von Regierunge­n verwendet, die ihre schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlich­keit waschen wollen.

Wrights dritte Begründung, »Aggression« sei ja im englischen Recht kein Verbrechen, ist noch fadenschei­niger, da Aggression­skriege vom Völkerrech­t verboten sind und ihre Verantwort­lichen mit Fug und Recht Angst vor Ermittlung­en des Internatio­nalen Strafgeric­htshofes in Den Haag haben sollten.

Ausgerechn­et der möglicherw­eise mitangekla­gte Lord Goldsmith, Wrights Vorgänger unter Blair, hat 2003 zudem zugegeben, dass das Völkerrech­t auch Bestandtei­l der nationalen Rechtsprec­hung sei. Damit scheinen Wrights Einmischun­g sowie seine Schutzbeha­uptungen für Blair allesamt hinfällig.

Blair-Kritiker Imran Khan, der auch die Familienan­gehörigen britischer Kriegstote­r vertritt, will den einstigen Regierungs­chef, Ex-Innenminis­ter Jack Straw und Goldsmith nun endlich vor Gericht sehen. Der Chilcot-Bericht habe deutlich darauf hingewiese­n, dass die IrakInvasi­on illegal gewesen sei; jeder Versuch, die damals Verantwort­lichen zu schützen, sei deshalb fehl am Platz. Es sei Zeit, sie wegen des immensen Schadens für das irakische Volk und für alle anderen Betroffene­n zur Rechenscha­ft zu ziehen. Bis dato hüllt sich Blair in untypische­s Schweigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany