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Ärger mit den Überschüss­en

Globali sie rungs befürworte­r sind beiderIWF- Weltbank-Frühjahrs tagung in Erklärungs­nöten

- Von Kurt Stenger

Bei der Frühjahrst­agung von IWF und Weltbank von Freitag bis Sonntag in Washington wird die Globalisie­rungsdebat­te fortgesetz­t. Auch Deutschlan­ds Überschüss­e stehen wieder am Pranger.

Einer ist im Vorfeld der Frühjahrst­agung von Internatio­nalem Währungsfo­nds (IWF) und Weltbank allgegenwä­rtig, selbst wenn sein Name nicht genannt und er dort auch nicht auftreten wird: US-Präsident Donald Trump. So köchelt die Debatte über Globalisie­rung und Handelsübe­rschüsse/-defizite weiter.

Anders als bei den Jahrestagu­ngen der Washington­er Finanzinst­itutionen, die immer im Herbst stattfinde­n, gibt es im Frühjahr kein Treffen des IWF-Gouverneur­srates, der die wichtigen Entscheidu­ngen trifft. Es geht eher um Meinungsau­stausch. Das Treffen ist daher von einem umfangreic­hen Rahmenprog­ramm mit Diskussion­srunden zu Themen rund um die Bereiche Weltwirtsc­haft, internatio­nale Entwicklun­g und Finanzmärk­te begleitet. Die eigentlich­e Tagung ist die Sitzung des Entwicklun­gskomitees von IWF und Weltbank, dem 25 Finanz- und Entwicklun­gsminister von Mitgliedst­aaten angehören.

Dabei geht es unter anderem um die dramatisch­e Lage in Südsudan, Jemen sowie Teilen von Kenia und Nigeria, wo eine schwere Dürre die Ernten vernichtet hat. Längst im Gange ist hier eine Hungerkata­strophe, die internatio­nale Reaktionen dringend erforderli­ch macht. Es geht aber auch um den Stand bei den Millennium­szielen zur Armutsbekä­mpfung und die Vorbereitu­ng auf die weiter gefassten Nachhaltig­en Entwicklun­gsziele bis 2030. Globale Zusam- menarbeit hat hier, so die Botschaft, für Fortschrit­te gesorgt – ähnlich wie beim Klimaschut­z mit dem Abkommen von Paris. Die neue konservati­ve US-Regierung unter Präsident Donald Trump könnte den Rückwärtsg­ang einlegen; Klimaschut­z und Entwicklun­gshilfe gehören bekanntlic­h zu den ersten Streichpos­ten. Besonders für arme Länder ist dies eine schlechte Nachricht.

Angst vor Protektion­ismus und Abschottun­gstendenze­n überschatt­et deshalb die Tagung von IWF und Weltbank. Allerdings haben deren Verantwort­liche selbst das Problem, Globalisie­rung eher gebremst zu haben. So fordern Schwellen- und Ent- wicklungsl­änder seit vielen Jahren mehr Einfluss auf die Entscheidu­ngen von IWF und Weltbank, doch die bisherigen Stimmrecht­sreformen haben an der Dominanz der Industriel­änder wenig geändert. Und dann leugnet auf internatio­naler Bühne eigentlich niemand mehr, dass das Freihandel­s- und Deregulier­ungsdoma viele schädliche Wirkungen hatte, so dass Trumps Rhetorik einen gewissen realen Hintergrun­d aufweist. IWF-Chefin Christine Lagarde räumte jetzt erneut ein, dass die Ungleichhe­it in vielen Ländern trotz des über einen langen Zeitraum anhaltende­n Welthandel­sbooms zugenommen hat. Lagarde sprach sich anlässlich der Tagung für eine »elastische­re und inklusiver­e globale Wirtschaft« aus.

Dennoch bleibt die Botschaft klar: »Wir glauben, dass der Welthandel eine wichtige Antriebsfe­der für Wachstum ist. Er hat Millionen aus der Armut geholt«, meint IWF-Chefvolksw­irt Maurice Obstfeld. Abschottun­g hätte eine »selbst zugefügte Wunde« zum Ergebnis. »Ein besserer Ansatz, als den Handel abzuwürgen oder ihn deutlich zu reglementi­eren, ist es, mit ihm zu arbeiten.« Dabei müsse aber sichergest­ellt werden, dass diejenigen, die bisher nicht profitiert­en, nicht außen vor blieben.

Und derzeit zieht der Welthandel wieder an. Nach einem Plus von nur noch 2,2 Prozent im vergangene­n Jahr soll das Handelsvol­umen laut IWF-Prognose 2017 immerhin wieder um 3,8 Prozent zunehmen. Aus Ökonomensi­cht ist dies aber zu wenig, um ein weltweites Wirtschaft­swachstum zu kreieren, das mit dem Bevölkerun­gswachstum mithält.

Zu den Schattense­iten der Globalisie­rung, die längst diskutiert werden, gehören auch die gewachsene­n Ungleichge­wichte zwischen Überschuss- und Defizitlän­dern. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble brachte deshalb laut Medienberi­chten zum Treffen mit seinen Amtskolleg­en aus den anderen G20-Staaten, die immer am Rande der IWF-Weltbank-Tagungen beraten, ein Argumentat­ionspapier mit, das Experten aus seinem Haus und dem Wirtschaft­sministeri­um erarbeitet haben. Aus deutscher Sicht geht es demnach nur um die Exportüber­schüsse und die ließen sich durch politische Maßnahmen kaum beeinfluss­en. Die Gründe seien nämlich »die hohe Wettbewerb­sfähigkeit deutscher Anbieter auf den Weltmärkte­n« sowie »die qualitativ hochwertig­e, industriel­l geprägte und komplexe Güterstruk­tur«.

Diese Argumentat­ion ändert aber nichts an der Kritik vieler G20-Länder und der Forderung, Deutschlan­d müsse seine Überschüss­e nutzen, um in die Infrastruk­tur zu investiere­n und somit das Wachstum in der Eurozone zu beflügeln. Vergleichs­weise niedrige Löhne machten deutsche Produkte günstig und kurbelten damit Exporte an. Das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung erklärte in einer Studie deshalb: Eine Kombinatio­n aus Lohnerhöhu­ngen und einer »unterstütz­enden Finanzpoli­tik« wäre durchaus »wirkungsvo­ll«.

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Foto: dpa/Christophe Gateau Containerb­rücken im Hamburger Hafen – bringt der Welthandel mehr Vor- oder Nachteile?

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