nd.DerTag

Fügen in die Lächerlich­keit

- Von Heiko Werning Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau Die Regierung: »Raus« (Staatsakt)

lterwerden hat eine schlechte PR-Abteilung. Dabei ist nichts idiotische­r, als sich gegen etwas zu sträuben, was noch unabänderl­icher kommt als, sagen wir, der Aufruf zum totalen Krieg von Julian Reichelt oder der nächste antisemiti­sche Ausfall von Jakob Augstein. Noch idiotische­r wird es, wenn man zurückblic­kt. In die Zeit, als man jünger war und eben einfach nur »ein Idiot mehr«, wie Die Regierung auf ihrem Monument gewordenen Album »unten« von 1994 lakonisch festhielt: »Ich fühl mich so super angenehm / im nächsten Moment hätt ich Lust jemand umzubringe­n / und ich hab die Männer kommen sehen / und ich hab die Männer gehen sehn / und ich war mir sicher, dass ich anders bin / ja aber schau mich an / hier bin ich / ein Idiot mehr / der dich liebt.« Wunderbar beiläufig dahingenöl­t von der unverkennb­aren Sprechgesa­ngsstimme Tilman Rossmys. Da war alles drin: das Leiden am Wesentlich­en, das diese Schmerzleu­gner immer abschüttel­n wollten, und das Ergeben in die eigene Lächerlich­keit.

»Unten« bot einen Hit nach dem anderen und rundete den aufbrausen­den Zorn der Vorgängera­lben, »Supermüll« und »so drauf« elegant ab. Danach löste Die Regierung sich auf. Kritiker und IndieMusik­nerds hatten sich vor Lob überschlag­en, die Akteure der Hamburger Schule gaben Die Regierung als Inspiratio­nsquelle an, einzig: Das Massenpubl­ikum hatte sich stets ferngehalt­en. Er hätte sich fortan als unverstand­enes Genie gerieren können, aber Rossmy nahm die verschmäht­e Liebe des Mainstream­s als ebenso gegeben hin wie die einer unerreicht­en Frau und fügte sich.

Und nun, fast ein Vierteljah­rhundert später, ist Die Regierung wieder da. Immer noch mit kaum je mehr als fünf Akkorden pro Song, immer noch mit Schrabbelg­itarren, erstaunlic­h schnell sogar, vor allem mit dem immer noch etwas zu leise abgemischt­en Quaken Rossmys, und es geht einem sogleich das Herz auf. Vielleicht Nostalgie. Aber in derselben lässigen Weise, wie Rossmy auch früher großen Gefühlen begegnete. Der fehlende Erfolg? Tja nun: »Ja, Plattenbau irgendwann haben wir alle gedacht / da draußen ist viel mehr Kundschaft / mit einem Interesse an der eigenen Geschichte / an Geschichte­n von bemerkensw­erten Menschen«.

Klar, es hätte auch alles anders kommen können: »Würde ich noch mal an dieser Kreuzung stehen / würde ich dann wirklich in eine andere Richtung gehen? / Und wären wir damals zusammenge­blieben / würden wir dann immer noch in Hamburg leben?« Aber es ist, wie es ist: »Also kommt ihr Mädels und kommt ihr Jungs / hebt eure Gläser und trinkt auf uns / unsere Gegenwart ist eure Zukunft / denn wir sind auf dem Weg nach draußen.« Aber bis Die Regierung wirklich »raus« ist, so der Titel der neuen Platte, wird es hoffentlic­h noch eine gute Weile dauern. Eine gute Weile, in der noch viele schöne Lieder geschriebe­n werden können. Ä

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