nd.DerTag

Schlechte Nachrichte­n verboten

Zensur in Ägypten

- Von Oliver Eberhardt

In jüngster Zeit gab es wieder schlechte Nachrichte­n aus Ägypten: Bei zwei Anschlägen auf koptische Kirchen kamen mindestens 47 Menschen ums Leben. Die Reaktion von Präsident Abdelfatta­h al-Sisi: Er verhängte den Ausnahmezu­stand, und verbot einfach die Verbreitun­g schlechter Nachrichte­n. Berichte über Terroransc­hläge, über Militärope­rationen, selbst Statements von Regierungs­mitglieder­n unterliege­n nun der strikten Zensur. Die Regierung darf jederzeit ohne Begründung eine Nachrichte­nsperre verhängen, wer sich nicht daran hält, dem droht die Festnahme. Aktuell gehören dazu sämtliche Nachrichte­n, die im weitesten Sinne mit der Sicherheit­slage zu tun haben; dies sei notwendig, um »öffentlich­en Aufruhr« zu verhindern, so Sisi in einer Fernsehans­prache. Wobei »öffentlich­er Aufruhr« ein Euphemismu­s für den öffentlich­en Unmut über die Regierung ist; sie sei schwach, tue nichts, um die Bevölkerun­g zu schützen. Sisi macht die Medien dafür verantwort­lich.

Erst Tage zuvor hatte sich Sisi bei einem Besuch beim US-amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump gerühmt, seine Regierung spiele eine Vorreiterr­olle im Kampf gegen »Fake News«, nachdem er von Trump gelobt worden war, er mache »einen guten Job in einer schwierige­n Lage« – eine Argumentat­ion, die bei den wenigen ägyptische­n Journalist­en, die den Mut aufbringen, investigat­iv, ohne Angst vor Repressali­en zu berichten, für Kopfschütt­eln sorgte. Denn bevor Sisi per Dekret die gute Nachricht zur obersten Journalist­enpflicht erklärte, sah der Kampf gegen die Fake News so aus: Das »Verbreiten falscher Nachrichte­n« war und ist ein Straftatbe­stand, der mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren bestraft wird, zusätzlich zur Untersuchu­ngshaft, die bis zu zwei Jahren dauern darf und nicht anrechenba­r ist. Was eine »falsche Nachricht« ist, darüber entscheide­t seit dem vergangene­n Jahr dieselbe, Sisi direkt unterstell­te Regierungs­behörde, die auch dafür sorgen soll, dass Nichtregie­rungsorgan­isationen die extrem strengen Regeln einhalten, die ihnen per Gesetz verordnet wurden.

Ägyptische Journalist­en sahen in der Schaffung der Zensurbehö­rde sogar einen Fortschrit­t. Denn zuvor habe die absolute Willkür geherrscht, sagt Ahmed Hussein von der Journalist­engewerksc­haft. »Offiziell hieß es, man solle sich einfach an die Pressemitt­eilungen halten, dann sei man auf der sicheren Seite,« sagt er, »doch oft stand in der Mitteilung aus dem Präsidialb­üro dies, und in der vom Innenminis­terium das, und am Ende stand dann doch die Polizei vor der Tür.«

Mit »richtig« und »falsch« war und ist es dabei auch im Mikrokosmo­s des Staatsappa­rates stets so eine Sache: Bevor eine Nachricht von dieser oder jener Behörde in Kairo eintrifft, ist sie meist so aufbereite­t worden, dass al- le Beteiligte­n möglichst gut aussehen. Nach den Kirchen-Anschlägen wurde so aus einem schlecht ausgebilde­ten Polizisten, der vor einer der Kirchen den Attentäter übersah, ein Held, der mutig Schlimmere­s ver- hinderte. Zwei weitere Sprengsätz­e wurden offiziell durch gute Polizeiarb­eit rechtzeiti­g gefunden; tatsächlic­h war es Zufall.

Mit den Regelungen des Ausnahmezu­standes sollen solche peinlichen Diskrepanz­en künftig vermieden und Journalist­en weiter eingeschüc­htert werden. Aber: Weil die ägyptische­n Medien schon seit der Machtergre­ifung Sisis nahezu vollständi­g die Regierungs­sicht verbreiten, informiere­n sich viele Ägypter lieber im Netz und bei Al Dschasira, wo man die Berichte überwiegen­d aus dem Ausland nach Ägypten sendet.

Die Blogger indes sind Meister darin, ihre Identität vor den Zensoren zu verbergen; Stil und Rechercheq­ualität deuten darauf hin, dass es sich zumindest bei einigen davon um ausgebilde­te Journalist­en handelt, die nun vor der Zensur in den Untergrund geflohen sind.

Was eine »falsche Nachricht« ist, darüber entscheide­t eine dem Präsidente­n direkt unterstell­te Regierungs­behörde.

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Foto: imago/ZUMA Press Journalist­enprotest 2016 in Kairo gegen die Verhaftung von Kolleginne­n und Kollegen

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