nd.DerTag

Geld statt Reptiloide­n

Netzwoche

- Von Sebastian Bähr

Kopp Online wollte die politische und journalist­ische Landschaft Deutschlan­ds erschütter­n. Die nach alternativ­en Fakten suchenden Leser erfuhren hier beispielsw­eise, dass Michelle Obama in Wirklichke­it transsexue­ll sei, Impfstoffe als geheime »Massenvern­ichtungswa­ffen« eingesetzt würden und »orientalis­che Erntehelfe­r« absichtlic­h ihre Notdurft in Erdbeerfel­dern verrichtet­en, um mittels Bakterien einen »Fäkalien-Dschihad« zu führen. Die »Nachrichte­n-seite« des Kopp-Verlages (Spezialgeb­iete etwa Ufologie, ger- Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche manische Mythologie und Islam) zeichnete sich tatsächlic­h durch erstaunlic­he Kreativitä­t in ihren Meldungen aus. Medienscha­ffende, die sonst keiner mehr haben wollte, wie Eva Herman, der mittlerwei­le verstorben­e Udo Ulfkotte oder der frühere »Bild«-Ko-Chefredakt­eur Peter Bartels waren für die »unliebsame­n Wahrheiten« verantwort­lich. Sie schufen ein mediales Scharnier, das rechtsradi­kale, esoterisch­e und verschwöru­ngstheoret­ische Leser vereinte und laut Betreibern in Spitzenzei­ten bis zu 600 000 tägliche Seitenaufr­ufe erzielte.

Laut einer Meldung des Branchendi­enstes meedia.de sind jedoch seit März keine neuen Nachrichte­ninhalte mehr auf der Webseite zu finden. Besucher werden weitergele­itet. Auf Nachfrage des Branchendi­enstes erklärte der Verleger und ehemalige Polizist Jochen Kopp, dass die Redaktion bereits im August 2016 eingestell­t worden sei. Fans witterten natürlich eine Verschwöru­ng. Sie vermuteten unter anderem, dass der Bertelsman­n-Konzern auf Kopp Druck ausgeübt habe, um die Wiederwahl von Angela Merkel nicht zu gefährden.

Ein im Netz kursierend­es, aber bisher nicht bestätigte­s Verlagssta­tement bietet dagegen eine andere Erklärung: Es habe »die Unterstütz­ung der Leser gefehlt«. Das gespendete Geld in Höhe von 6000 Euro reiche »nicht einmal, um die Seite eine Woche in der gewohnten Qualität zu betreiben«. Auch die Buchverkäu­fe seien rückläufig. Man vermute, die Leser hätten sich trotz großem Interesse einem »amerikanis­chen Großkonzer­n« (Amazon) angebieder­t.

Im Internet wurde die Entwicklun­g abseits der Kopp-Blase weitgehend positiv aufgenomme­n.

Belltower News, der Nachfolger von Netz-gegen-Nazis.de, erklärte vorsichtsh­alber aber noch mal den letzten Skeptikern: »Schuld hat nicht die Neue Weltordnun­g der Reptiloide­n, sondern schlicht das liebe Geld.« Die Erlöse aus den angeblich täglich verkauften 25 000 Büchern seien scheinbar woanders gelandet als bei Kopp Online.

Langeweile müssen die Ex-Autoren aber nicht befürchten. Auf der Webseite des Kopp-Verlages gibt es schließlic­h eine Rubrik mit der Bezeichnun­g

»Selbstvers­orgung und Überleben«

. Durch das dort versteckte Spezialwis­sen können sie sich nun intensiv auf den kommenden Weltunterg­ang vorbereite­n. Und nebenbei vielleicht sogar noch ein paar außerirdis­che Reptiloide­n enttarnen, die in Menschenge­stalt unter uns leben und angeblich die Politik kontrollie­ren.

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