Geld statt Reptiloiden
Netzwoche
Kopp Online wollte die politische und journalistische Landschaft Deutschlands erschüttern. Die nach alternativen Fakten suchenden Leser erfuhren hier beispielsweise, dass Michelle Obama in Wirklichkeit transsexuell sei, Impfstoffe als geheime »Massenvernichtungswaffen« eingesetzt würden und »orientalische Erntehelfer« absichtlich ihre Notdurft in Erdbeerfeldern verrichteten, um mittels Bakterien einen »Fäkalien-Dschihad« zu führen. Die »Nachrichten-seite« des Kopp-Verlages (Spezialgebiete etwa Ufologie, ger- Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche manische Mythologie und Islam) zeichnete sich tatsächlich durch erstaunliche Kreativität in ihren Meldungen aus. Medienschaffende, die sonst keiner mehr haben wollte, wie Eva Herman, der mittlerweile verstorbene Udo Ulfkotte oder der frühere »Bild«-Ko-Chefredakteur Peter Bartels waren für die »unliebsamen Wahrheiten« verantwortlich. Sie schufen ein mediales Scharnier, das rechtsradikale, esoterische und verschwörungstheoretische Leser vereinte und laut Betreibern in Spitzenzeiten bis zu 600 000 tägliche Seitenaufrufe erzielte.
Laut einer Meldung des Branchendienstes meedia.de sind jedoch seit März keine neuen Nachrichteninhalte mehr auf der Webseite zu finden. Besucher werden weitergeleitet. Auf Nachfrage des Branchendienstes erklärte der Verleger und ehemalige Polizist Jochen Kopp, dass die Redaktion bereits im August 2016 eingestellt worden sei. Fans witterten natürlich eine Verschwörung. Sie vermuteten unter anderem, dass der Bertelsmann-Konzern auf Kopp Druck ausgeübt habe, um die Wiederwahl von Angela Merkel nicht zu gefährden.
Ein im Netz kursierendes, aber bisher nicht bestätigtes Verlagsstatement bietet dagegen eine andere Erklärung: Es habe »die Unterstützung der Leser gefehlt«. Das gespendete Geld in Höhe von 6000 Euro reiche »nicht einmal, um die Seite eine Woche in der gewohnten Qualität zu betreiben«. Auch die Buchverkäufe seien rückläufig. Man vermute, die Leser hätten sich trotz großem Interesse einem »amerikanischen Großkonzern« (Amazon) angebiedert.
Im Internet wurde die Entwicklung abseits der Kopp-Blase weitgehend positiv aufgenommen.
Belltower News, der Nachfolger von Netz-gegen-Nazis.de, erklärte vorsichtshalber aber noch mal den letzten Skeptikern: »Schuld hat nicht die Neue Weltordnung der Reptiloiden, sondern schlicht das liebe Geld.« Die Erlöse aus den angeblich täglich verkauften 25 000 Büchern seien scheinbar woanders gelandet als bei Kopp Online.
Langeweile müssen die Ex-Autoren aber nicht befürchten. Auf der Webseite des Kopp-Verlages gibt es schließlich eine Rubrik mit der Bezeichnung
»Selbstversorgung und Überleben«
. Durch das dort versteckte Spezialwissen können sie sich nun intensiv auf den kommenden Weltuntergang vorbereiten. Und nebenbei vielleicht sogar noch ein paar außerirdische Reptiloiden enttarnen, die in Menschengestalt unter uns leben und angeblich die Politik kontrollieren.