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Juden in Deutschlan­d fühlen sich bedroht

Expertengr­emium legt Antisemiti­smusberich­t im Bundestag vor / Tausende gedenken Holocausto­pfern

- Von Maria Jordan Mit Agenturen

Die jüdische Bevölkerun­g ist besorgt um ihre Sicherheit. Experten fordern deshalb einen Antisemiti­smusbeauft­ragten.

In Deutschlan­d lebende Jüdinnen und Juden fühlen sich durch Antisemiti­smus stärker bedroht. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Unabhängig­e Expertenkr­eis Antisemiti­smus (UEA) am Montag in Berlin vorstellte. Nach einer ersten Bestandauf­nahme 2012 ist dies der zweite Bericht über die Entwicklun­g des Antisemiti­smus in Deutschlan­d im Auftrag des Bundestags.

Gründe für die in der jüdischen Bevölkerun­g wahrgenomm­ene Gefahr sind laut UEA zum einen Verunsiche­rungen durch Rechtspopu­lismus und Antisemiti­smus unter Muslimen – besonders im Hinblick auf Geflüchtet­e. Zum anderen wird die wachsende Bedeutung sozialer Medien, in denen Hassbotsch­aften und Hetze leicht verbreitet werden können, als Bedrohung empfunden. »Wer Antisemiti­smus ausleben möchte, kann dies in sozialen Netzwerken hemmungslo­s und weitgehend unregulier­t tun«, so das Gremium.

Die Sachverstä­ndigen warnen davor, antisemiti­sche Haltungen im Rechtsextr­emismus sowie in der gesellscha­ftlichen und politische­n Mitte »zu vernachläs­sigen oder implizit zu verharmlos­en«. Das rechtsextr­emistische Lager sei nach wie vor der bedeutends­te Träger des Antisemiti­smus in Deutschlan­d. Auch in der Gesamtbevö­lkerung gehen die Experten von etwa 20 Prozent »latentem Antisemiti­smus« aus.

»In der Öffentlich­keit steht die Gruppe der Muslime als vermeintli­che Hauptverur­sacher im Fokus«, erklärte UEA-Mitglied Juliane Wetzel am Montag. Dies habe dazu geführt, dass Rechtsextr­emismus als zentrales Milieu antisemiti­scher Inhalte in der gesell- schaftlich­en Debatte in den Hintergrun­d getreten ist. Besonders muslimisch­e Verbände und Moscheegem­einden würden »undifferen­ziert als Hort antisemiti­scher Agitation gesehen und Imame als ›Hasspredig­er‹ charakteri­siert«, kritisiert­en die Experten.

Neben der besseren Erfassung und Ahndung antisemiti­scher Straftaten und Prävention­smaßnahmen innerhalb der Bevölkerun­g ist der Einsatz eines Antisemiti­smusbeauft­ragten eine zentrale Forderung des Gremiums. Dieser soll »bestehende Bemühun- gen im Kampf gegen den Antisemiti­smus koordinier­en«. Der Zentralrat der Juden in Deutschlan­d unterstütz­t diese Forderung.

Der israelisch­e Botschafte­r in Deutschlan­d, Yakov Hadas-Handelsman, sieht wachsenden Antisemiti­smus nicht nur als Problem der Juden, sondern der gesamten Gesellscha­ft. Diejenigen, die heute gegen Juden hetzten, würden wahrschein­lich morgen gegen Muslime hetzen, sagte er. »Das ist eine Bedrohung für die Demokratie. Deswegen muss die ganze Gesellscha­ft ein Interesse daran haben, dagegen vorzugehen.«

Anlässlich des Holocaust-Gedenktags reiste Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag zur Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem, um dort einen Kranz niederzule­gen. In Polen beteiligte­n sich etwa 10 000 Menschen, darunter viele Israelis, an einem Gedenkmars­ch im ehemaligen Vernichtun­gslager Auschwitz.

Das rechtsextr­emistische Lager ist nach wie vor der bedeutends­te Träger des Antisemiti­smus in Deutschlan­d.

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