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Mélenchon drückt sich um die Wahlempfeh­lung

Enttäuschu­ng und Pfiffe bei den Anhängern des Linkspolit­ikers am Wahlabend

- Von Bernard Schmid, Paris

Nach der Wahl ist vor der Stichwahl. In die kam der Linkspolit­iker Jean-Luc Mélenchon selbst nicht. Auch eine Wahlempfeh­lung mochte er nicht abgeben.

In Frankreich sahen viele Menschen, darunter auch bisherige eigene AnhängerIn­nen, Jean-Luc Mélenchon Sonntagabe­nd als »schlechten Verlierer«. Als am Wahlabend gegen 22 Uhr der lang erwartete Fernsehauf­tritt erfolgt, ertönen nach einer Minute Pfiffe beim Wahlabend-Dinner. Missfallen breitet sich in der Runde aus.

Das entzündet sich vor allem daran, dass keine klare Aussage des Präsidents­chaftsbewe­rbers von La France Insoumise (FI, Das unbeugsame Frankreich) für die Stichwahlr­unde erfolgt. Die Mehrheit der Anwesenden hätte erwartet, dass er sich klar gegen Marine Le Pen positionie­rt – auch um den Preis, für den Liberalen Emmanuel Macron zu stimmen. Dessen Programm betrachten hier alle als »Gift für die Beschäftig­tenrechte«. Auch diejenigen, die es anders sehen, hätten sich eine klare Stellungna­hme erhofft. Alle sind JuristInne­n und fast alle im Arbeitsrec­ht tätig, sei es als AnwältInne­n – ausschließ­lich auf Gewerkscha­fts- oder Beschäftig­tenseite – oder in der Hochschull­ehre.

Über die Hälfte hier wählte JeanLuc Mélenchon, ein Drittel den Sozialdemo­kraten Benoît Hamon und eine Minderheit unterstütz­te Emmanuel Macron im ersten Wahlgang. Das geschah mit dem taktischen Kalkül, Marine Le Pen schon in der ersten Runde auf den zweiten Platz zu verweisen. Einzelne bevorzugte­n den Linksradik­alen Philippe Poutou.

Doch Jean-Luc Mélenchon wollte weder für noch gegen Emmanuel Macron oder Marine Le Pen eine Wahlempfeh­lung abgeben. Er begnügte sich mit dem Hinweis, die 450 000 Personen, die sich auf seiner Webseite als Unterstütz­erInnen registrier­ten, dürften nun ihre Meinung äußern. Auf elektronis­chem Wege sollen sie über die Optionen abstimmen – einen Wahlaufruf zugunsten Macrons, einen Appell zur Enthaltung, zum Ungültigst­immen oder gar keine Aussage. Nur eine Unterstütz­ung Le Pens wird ausdrückli­ch nicht in Betracht gezogen. Das Ergebnis will Mélenchons voraussich­tlich an diesem Dienstag bekannt geben.

Am Abend selbst enttäuscht­e Mélenchon damit, dass er das Ergebnis nicht anerkennen wollte. Da der Innenminis­ter erst um Mitternach­t eine Stellungna­hme abgebe, so erklärte er, sei das zu jener Stunde vorliegend­e Resultat »auf jeden Fall nicht das richtige«. Er ließ noch durchblick­en, dass er vielleicht ja doch besser als mit dem vierten Platz abgeschnit­ten habe. Bis dahin, fügte er hinzu, »freuen sich die Mediakrate­n und die Oligarchen« darüber, dass die zweite Runde nun von zwei KandidatIn­nen bestritten werde, »die die Institutio­nen nicht in Frage stellen und kein ökologisch­es Problembew­usstsein haben«.

Allerdings erreichte der Bewerber mit über 19 Prozent seit inzwischen 35 Jahren das mit Abstand höchste Ergebnis für einen Kandidaten links von der Sozialdemo­kratie. KP-Bewerber Georges Marchais war im Jahr 1981 von einst rund 20 Prozent erstmals auf 15,3 Prozent abgerutsch­t. Mélenchon scheint nun davon auszugehen, dass er zum letzten Mal kandidiert­e. Am Wahlabend sprach er davon, »den Jüngeren« den »Staffelsta­b« zu übergeben.

Zunächst jedoch stellt sich die Frage der Parlaments­wahlen im Juni. Zu ihnen will FI mit KandidatIn­nen in allen 577 Wahlkreise­n antreten. Von denen weisen jedoch viele nur geringe institutio­nelle politische Erfahrung auf – bislang verfügte die Linksparte­i Mélenchons über keinen Abgeordnet­ensitz. Ein Wahlbündni­s mit der Französisc­hen KP, die über zehn Mandate in der ablaufende­n Legislatur­periode verfügte, scheiterte in den letzten Wochen zunächst.

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