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»Weil es gegen Le Pen geht«

Nach der ersten Wahlrunde in Frankreich: Politiker der Linksparte­i bleiben auf Distanz zu Macron – und in Sorge wegen des Abschneide­ns der Rechtsradi­kalen

- Von Tom Strohschne­ider

Politiker aus SPD und Grünen drücken jetzt die Daumen für Emmanuel Macron. Die Linksparte­i hingegen kritisiert den Liberalen scharf, billigt ihm aber Unterstütz­ung zu, »weil es gegen Le Pen geht«.

Als die ersten Zahlen am Sonntagabe­nd über die Sender liefen, hoffte der Linksparte­i-Politiker Niema Movassat via Twitter noch auf Jean-Luc Mélenchon – und dass der Kandidat des »widerspens­tigen Frankreich« noch »auf Platz zwei rückt für die Stichwahl«. Der Abend in Paris verlief dann aber wie von den meisten Umfragen prognostiz­iert – also anders: Emmanuel Macron gewann den ersten Durchgang, die Rechtsradi­kale Marine Le Pen steht ihm im zweiten Wahlgang gegenüber.

Für Movassat war das »ein Schlag für alle Menschen, die eine soziale, antirassis­tische und friedliche Politik wollen«. Die Franzosen hätten nun »die Wahl zwischen Pest und Chole- ra«, zwischen einem Neoliberal­en und einer Rechtsextr­emen. Der Bundestags­abgeordnet­e schlug damit einen Ton an, der nicht wenige Reaktionen aus der Linksparte­i bestimmte. Bisweilen fielen diese sogar in den Tonfall der Gleichsetz­ung, was im Internet auf empörte Reaktionen aus anderen Parteien stieß. Auch Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch wandte sich gegen Formulieru­ngen wie »Pest oder Cholera« und stellte klar: »Natürlich muss die rechtsextr­eme Le Pen verhindert werden.«

Noch eine weitere Sichtweise war erkennbar: Mit Blick auf die Kandidatur des linkssozia­ldemokrati­schen Kandidaten Benoît Hamon hieß es, diese sei aussichtsl­os gewesen und habe den Einzug von Mélenchon in die zweite Runde blockiert. Der linke Europaabge­ordnete Fabio De Masi sagte, die Parti Socialiste liege »in Scherben«, Hamons Kandidatur habe »leider einen Ausweg aus der Kürzungspo­litik blockiert«. Vor allem jüngere Franzosen hätten »für den französisc­hen Bernie Sanders«, also für Mélenchon, votiert. Auch Movassat äußerte die Ansicht, es wäre besser gewesen, wenn die Sozialdemo­kraten Mélenchon unterstütz­t hätten. »Dann würde er jetzt und nicht Le Pen in der Stichwahl stehen.«

Die Vorsitzend­en der Linksparte­i zeigten sich noch am Sonntagabe­nd besorgt über den Wahlausgan­g. Das Abschneide­n der Rechtsradi­kalen Le Pen sei ein schwerer Schlag für Freiheit und Demokratie, Gerechtigk­eit und Frieden, erklärten Katja Kipping und Bernd Riexinger – und sahen zugleich im Abschneide­n von Macron keinen Grund zum Jubeln. Dessen Politik werde »die Spaltungsl­inien in der Gesellscha­ft weiter vertiefen«.

Macron setze, so lautet das Argument vieler aus der Linksparte­i, auf eine Politik gegen Gewerkscha­ften und Beschäftig­te, »auf Deregulier­ungen, Steuerpriv­ilegien für Reiche und mehr Rechte für private Konzerne« sowie eine Auszehrung des Öffentlich­en und ein Ja zur Austerität. Das aber seien genau die Zutaten, mit denen sich soziale Verhältnis­se ver- schlechter­t hätten, was wiederum erst zum Aufstieg der Rechtsradi­kalen geführt habe. Auf einen sehr kurzen Nenner hat das am Wahlabend der Soziologe Oliver Nachtwey gebracht, der mit dem Buch »Die Abstiegsge­sellschaft« über »das Aufbegehre­n in der regressive­n Moderne« für Aufmerksam­keit gesorgt hatte. In dem Buch thematisie­rt er die politische­n und sozialen Folgen marktliber­aler Verhältnis­se. Nachtwey reagierte enttäuscht auf den Wahlausgan­g in Frankreich mit den Worten: »Na toll: Faschismus vs. Neoliberal­ismus«.

Vor dem Hintergrun­d der noch ausstehend­en zweiten Wahlrunde schlug allerdings auch die Stunde der Empfehlung­en – Politiker von SPD und Grünen riefen teils enthusiast­isch zur Unterstütz­ung von Macron auf.

Die Chefin der Linksfrakt­ion, Sahra Wagenknech­t, sagte hingegen: Wäre Mélenchon in die Stichwahl gekommen, hätte die französisc­he Bevölkerun­g eine echte Alternativ­e gehabt. Nun ging die Wahlrunde aber anders aus, und viele erwarteten da- her auch ein Wort zur Stichwahl. Das kam am Sonntagabe­nd zuerst von Linksparte­ichef Riexinger, der auf Twitter schrieb, Macron verdiene »Unterstütz­ung weil es gegen Le Pen geht«. Aber die Forderunge­n des Liberalen »setzen das bisherige Elend unbeirrt fort«. Das, so Riexinger, sei »bitter«. Auch der Chef der Europäisch­en Linksparte­i, Gregor Gysi, kritisiert­e Macron, der »nicht nur konservati­v, sondern auch neoliberal geprägt« sei. Gysi betonte aber ebenfalls sein »Trotzdem«: Le Pen dürfe »auf gar keinen Fall Staatspräs­identin Frankreich­s werden«.

Der linke Publizist Robert Misik warnte die Linken nicht nur in Frankreich, diese dürften »jetzt nicht den Fehler machen, den eigenen Kandidaten schlecht zu reden«. Mit Blick auf den Sieg von Donald Trump über die Demokratin Hillary Clinton sagte er, »das war ja schon in den USA keine totale Super-Strategie«.

Anders als in der Linksparte­i fiel das Echo bei SPD und Grünen aus. Der grüne Europaabge­ordnete Sven Gie- gold sagte, »jetzt gibt’s kein Pardon mehr! Nun müssen wir alle Macron unterstütz­en«. Er erinnerte allerdings auch daran, dass ein Grund für die französisc­hen Verhältnis­se in Berlin zu suchen ist. »21 Prozent für Le Pen sind auch Resultat der deutschen Dominanz in der EU«, so Giegold. Er forderte »Solidaritä­t statt Schulmeist­erei«. Die Vorsitzend­e der grünen Europafrak­tion, Ska Keller, mahnte in Richtung Macron, wenn dieser die Rechtsradi­kalen besiegen wolle, müsse er auf soziale Gerechtigk­eit und eine Politik der Inklusion für die Marginalis­ierten setzen.

Der SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz gratuliert­e Macron, ließ sich die Gelegenhei­t freilich nicht nehmen, auch etwas über sich zu sagen: Sollte der Liberale siegen, »dann könnten wir, er als Präsident in Frankreich und ich als Kanzler«, die Reform der Europäisch­en Union »in Angriff nehmen«. Macron muss nun in die zweite Runde. Für SPD-Mann Schulz dürfte es bis ins Kanzleramt noch ein sehr weiter Weg bleiben.

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