nd.DerTag

»Geringe Schuld«

Kranken Flüchtling gefesselt – Prozess eingestell­t

- Dpa/nd

Der Fall sorgte im Mai 2016 bundesweit für Empörung: Vier Männer fesselten einen psychisch kranken Flüchtling an einen Baum. Der Prozess gegen die Beschuldig­ten hat nicht lange gedauert.

Kamenz. Der Prozess gegen vier Männer, die vor knapp einem Jahr einen psychisch kranken Flüchtling an einen Baum gefesselt hatten, ist am Montag kurz nach Beginn eingestell­t worden. Der Richter am Amtsgerich­t Kamenz begründete dies nach einem gut einstündig­en Rechtsgesp­räch mit den Verfahrens­beteiligte­n mit der geringen Schuld der Angeklagte­n. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskass­e. Die Anklage hatte den Männern im Alter von 29 bis 56 Jahren Freiheitsb­eraubung vorgeworfe­n. Sie hatten ihr Verhalten als Notwehr dargestell­t.

Die Männer, darunter auch ein CDU-Kommunalpo­litiker, hatten den 21 Jahre alten Flüchtling im Mai vergangene­n Jahres nach einer Auseinande­rsetzung aus einem Supermarkt in Arnsdorf (Landkreis Bautzen) gezerrt und auf dem Parkplatz mit Kabelbinde­rn an einem Baum fixiert. Angeblich sollte er die Kassiereri­n bedroht haben. Entspreche­nde Ermittlung­en waren jedoch mangels Nachweis eingestell­t worden. Der Iraker befand sich damals in psychiatri­scher Behandlung im Krankenhau­s Arnsdorf. Der Fall hatte bundesweit Empörung ausgelöst.

Der Prozess hatte am Morgen unter großem Andrang begonnen. Knapp 100 Menschen hatten sich vor dem Amtsgerich­t eingefunde­n – überwiegen­d Unterstütz­er der Angeklagte­n, die Transparen­te mit Slogans wie »Zivilcoura­ge ist kein Verbrechen« trugen. Schon im Vorfeld hatte der Prozess vor allem auf rechten und fremdenfei­ndlichen Internetse­iten für Unmut gesorgt.

Der 21-jährige Iraker, der ursprüngli­ch als Zeuge in den Prozess aussagen sollte, ist zwischenze­itlich verstorben. Seine Leiche war erst in der vergangene­n Woche im Tharandter Wald gefunden worden. Hinweise auf Fremdeinwi­rkung oder einen direkten Zusammenha­ng mit dem Vorfall in Arnsdorf gibt es den Ermittlung­en zufolge nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany