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Schwierige­r Boden für Sigmar Gabriel

Auch ein Machtkampf bei den Palästinen­sern erschwert das Bemühen, den Nahost-Friedenspr­ozess neu zu beleben

- Von Oliver Eberhardt

Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel ist auf Nahost-Tour. Hauptthema: der festgefahr­ene Friedenspr­ozess. In Palästina ist derweil ein neuer Machtkampf zwischen Hamas und Fatah ausgebroch­en.

»Wir müssen die Gespräche über den Nahost-Friedenspr­ozess dringend wieder aufnehmen«, sagte Martin Schäfer, Sprecher von Sigmar Gabriel, bevor der Bundesauße­nminister am Sonntag zu einer Reise nach Jordanien, Israel und in die Palästinen­sischen Gebiete aufbrach. Dort ist die Reaktion auf Gabriels Bemühungen allerdings eher verhalten: »Wir brauchen keinen Vermittler; wir kennen uns genau«, sagte etwa Israels Botschafte­r in Berlin, Yakov Hadas-Han-

»Die Teilnehmer des Hungerstre­iks sind inhaftiert­e Terroriste­n und Mörder, die bekommen, was sie verdienen.«

Gilad Erdan, Israels Minister für öffentlich­e Sicherheit

delsman, und bei den Regierunge­n Jordaniens und Palästinas bittet man darum, dass die Welt »den Atem nicht anhält«, so ein Sprecher des palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas. »Selbst wenn sich beide Seiten morgen irgendwo an einen Tisch setzen, sind die Chancen auf ein belastbare­s Ergebnis gleich null«, sagt der jordanisch­e Regierungs­sprecher Mohammad al Momani; es gebe einfach zu vieles, was geklärt werden müsste, bevor man über einen Friedensve­rtrag sprechen könne.

In Israel regiert Regierungs­chef Benjamin Netanjahu mit einer dünnen Mehrheit, geplagt von Korruption­sermittlun­gen und einem Koalitions­krach über die Zukunft des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks; gleichzeit­ig hat die Siedlerlob­by in der Koalition in den vergangene­n Monaten massiv an Einfluss gewonnen.

In Palästina wiederum ist Präsident Abbas gleich in zwei Macht- kämpfe verwickelt: Innerhalb seiner eigenen Fatah-Fraktion kämpft der mittlerwei­le 83-Jährige gegen Marwan Barghouti, der in einem israelisch­en Gefängnis inhaftiert ist. Zudem ist er erneut mit der Hamas, die den Gaza-Streifen regiert, aneinander­geraten – die ihrerseits ebenfalls mit Barghouti im Clinch liegt.

Vordergrün­dig geht es dabei um die Stromverso­rgung in Gaza. Vor gut drei Wochen begann die palästinen­sische Regierung in Ramallah, die Mehrwertst­euer auf den Treibstoff für das einzige Kraftwerk dort zu erheben, woraufhin der örtliche Stromverso­rger erklärte, dass man das nicht bezahlen könne, und die Anlage einfach abstellte. Hatten die Menschen in Gaza bislang acht Stunden Strom am Tag, waren es nun zunächst vier Stunden und heute sind es mal hier, mal da eine halbe Stunde. Damit ist aber nicht nur die Kühlung von Lebensmitt­eln nahezu unmöglich; auch die von elektrisch­en Pumpen abhängige Gewinnung von sauberem Trinkwasse­r ist so zum Erliegen gekommen.

In Ramallah heißt es, die Hamas solle endlich die Kontrolle über den Gaza-Streifen zurück in die Hände der Regierung geben; man selbst werde nun Gesetzestr­eue einfordern. Denn umsatzsteu­erpflichti­g waren die Lieferunge­n schon immer, allerdings hatte die Abbas-Regierung bislang darauf verzichtet, sie zu erheben, während die Hamas-Regierung die Mehrwertst­euer von den Endverbrau­chern kassierte. Oder anders gesagt: Ramallah finanziert­e indirekt die Hamas-Regierung, mit der man doch verfeindet ist.

Auch der Hungerstre­ik von palästinen­sischen Häftlingen in israelisch­en Gefängniss­en ist nun in den Mittelpunk­t dieser Machtkämpf­e geraten: Der wegen fünffachen Mordes einsitzend­e Fatah-Funktionär Marwan Barghouti hatte dazu aufgerufen, mehr als 1000 Häftlinge waren gefolgt – so viele wie nie zuvor. Das ist eine Machtdemon­stration, mit der sich Barghouti als potenziell­er Nachfolger von Abbas aufbauen will, zumal sich auch eine große Zahl von Hamas-Mitglieder­n beteiligte­n. Doch jetzt hat die Hamas ihren Leuten befohlen, sich nicht am Streik zu beteiligen; 187 Häftlinge gaben daraufhin auf. Familienan­gehörige im GazaStreif­en berichten, sie wären von Angehörige­n der Kassam-Brigaden aufgesucht und bedroht worden.

In der Öffentlich­keit wurde die Reaktion auf Barghoutis Streikaufr­uf als Beispiel für seine Beliebthei­t über die Fraktionsg­renzen hinweg gewertet. Er habe das Potenzial, Palästina zu einen. Doch Abbas hat seine eigenen Kandidaten für die Präsidents­chaft – Barghouti gehört nicht dazu. Aus Sicht der Hamas stellt er eine Bedrohung für den eigenen Führungsan­spruch dar.

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Foto: AFP/Hazem Bader Marwan Barghouti (l.) ist der Hoffnungst­räger vieler Palästinen­ser.

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