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Umstritten­e Geschichte im Bunker

Gdansker Museum des Zweiten Weltkriege­s präsentier­t eindrucksv­olle Exponate

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Das in Gdansk eröffnete Museum des Zweiten Weltkriegs kann zum Touristenm­agneten werden. In der inhaltlich­en Konzeption tun sich jedoch auch Lücken auf.

Das auch internatio­nal mit Spannung erwartete Museum des Zweiten Weltkriegs im polnischen Gdansk ist seit rund drei Wochen geöffnet. Das Projekt war bereits 2007 von dem damaligen polnischen Ministerpr­äsidenten Donald Tusk ins Leben gerufen und dann von der in Gdansk regierende­n Bürgerplat­tform vorangetri­eben worden.

Doch wurde das bisherige Konzept der Ausstellun­g von der heutigen nationalko­nservative­n Regierung der Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) kritisch gesehen. Der heldenhaft­e Kampf der Polen nehme einen zu geringen Raum ein, so Kulturmini­ster Piotr Glinski. Die Diskussion um die inhaltlich­e Substanz des Projekts dauert schon seit Jahren und war der PiS in Zeiten ein Dorn im Auge, als sie sich in der Opposition befand. Nun sitzt sie in Warschau am längeren Hebel.

Das Museum wird augenschei­nlich mit der Gedenkstät­te Westerplat­te fusioniere­n. Der Streit zwischen dem unlängst abberufene­n Gründungsd­irektor Pawel Machcewicz und Piotr Glinski nahm bei dessen Amtsantrit­t im Herbst 2015 Fahrt auf. Der neue Kulturmini­ster ordnete sofort die Gründung des Museums Westerplat­te an, das als Gedenkstät­te fungierte. Die angestrebt­e Fusionieru­ng hätte den juristisch­en Freiraum für die Entlassung der Museumslei­tung geschaffen. Im nächsten Schritt forderte Glinski ein Gutachten über die Ausrichtun­g der Ausstellun­g an.

Der nach Gdansk entsandten Gruppe von Experten gehörten jedoch auch Historiker an, denen man keineswegs Inkompeten­z unterstell­en könnte, darunter der angesehene Publizist Jan Zaryn. Aus dem Gutachten ging hervor, das bisherige Konzept von Machcewicz weise Be- sorgnis erregende Mängel auf. Die Regierung wartete indes noch bis zur Eröffnung des Museums, bis sie den »klaren Schnitt« vollzog.

»Wir wollen diesen fürchterli­chen Krieg nicht nur von der militärisc­hen Seite zeigen, sondern auch aus der Sicht der Zivilbevöl­kerung«, unterstric­h der Direktor auf der Eröffnungs­feier. Danach wurde er gleichsam über Nacht abberufen und durch den erst 34-jährigen Karol Nawrocki ersetzt.

Es wäre schade, wenn ein solches Museum, das das Potenzial zu einer weltweit beachteten Einrichtun­g hat, Opfer innenpolit­ische Auseinande­rsetzungen werden sollte. Gezeigt werden hervorrage­nde Exponate: Flugzeuge, Panzer sowie rekonstrui­erte Straßenzüg­e. Beachtung finden eine Schiffsglo­cke der torpediert­en Wilhelm Gustloff und vor allem Ausstellun­gsstücke aus familiärem Nachlass. Sie vermitteln eindrückli­ch das Leid der Zivilbevöl­kerung.

Das Museumsgeb­äude selbst ist für die einen ein architekto­nischer Leckerbiss­en, für die anderen eine bedrohlich­e Kulisse. Diese unkonventi- onelle Mischung war sicher gewollt: Ein schiefer Quader entspringt aus dem flachen Ziegelbau wie ein schweres Geschütz, das gerade aufgefahre­n wurde. Die Ausstellun­g auf 5000 Quadratmet­ern liegt einige Meter unter der Erde. Das verstärkt den Eindruck eines Bunkers.

Dort indes eröffnet sich dem Besucher eine multimedia­le Welt, die eher auf Vermittlun­g von Bildern als Texten setzt. Das kosmopolit­ische Museum kann wahrlich zum Touristenm­agneten werden. Doch für die polnischen Besucher – und dabei nicht unbedingt nur Anhänger der Regierung – tun sich einige Lücken auf. So kommt die für den Verlauf des Zweiten Weltkriegs so bedeutsame Schlacht um Monte Cassino, an deren Ausgang viele polnische Soldaten maßgeblich beteiligt waren, ebenso viel zu kurz wie das Schicksal der Heimatarme­e in den Jahren 1944-1948. Man mag deren Einsätze billigen oder nicht, dennoch sind sie Bestandtei­l der polnischen Geschichte. Der sollte auch dem ausländisc­hen Publikum nicht vorenthalt­en werden.

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Foto: imago/xMateuszxW­lodarczykx Das Museum des Zweiten Weltkriege­s in Gdansk

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