Magufuli auf autoritärem Kurs
Zitto Kabwe über den Wandel des tansanischen Präsidenten vom Hoffnungsträger zum Alleinherrscher
Sie führen das Wort »Entdemokratisierungsprozesse« im Mund, um die gegenwärtige politische Situation in Tansania zu beschreiben. Weshalb?
Tansania war eines der stabilsten Länder in Afrika, in dem sich die Demokratie Jahr für Jahr vertiefte. In den vergangenen anderthalb Jahren konnten wir jedoch Trends beobachten, die bereits als Symptome für einen Mangel und Abbau an Demokratie zu bewerten sind. Der Präsident von Tansania, John Magufuli, hat zum Beispiel vergangenen Juni öffentliche Kundgebungen aller Oppositionsparteien bis zu den nächsten Wahlen 2020 verboten. Das bedeutet, dass Parteien nicht mehr mit den Menschen kommunizieren, keine Spenden sammeln oder Mitglieder werben können und auch ihre Kritik an der Regierung erschwert wird.
Gilt die eingeschränkte Meinungsfreiheit auch für die Medien?
Ja. Wir als Allianz für Wandel und Transparenz (ACT) haben deutlich gemacht, dass der politische und der zivile Raum durch die Drohungen des Präsidenten auch gegenüber den Medien eingeschränkt wird. Unlängst ist ein Regionalbeauftragter der Regierung, nachts in eine Radio- und Fernsehstation eingedrungen, um die Ausstrahlung der von ihm gewünschten Nachrichten zu erzwingen. Das richtet sich komplett gegen die redaktionelle Freiheit der Medien. Tansania befindet sich also zusammengefasst in großer Gefahr hinsichtlich einer Entdemokratisierung.
Wie geht die ACT mit solchen Restriktionen wie dem Versammlungsverbot um?
Wir erheben unsere Stimme, wir fordern vom Präsidenten und der Regierung das Verbot aufzuheben. Einige unsere Mitglieder drängen uns, die Parteiführung, vor Gericht zu gehen, um deutlich zu machen, dass das Verbot verfassungswidrig ist. Und wir versuchen, uns mit anderen Oppositionsparteien zu koordinieren, damit wir als geschlossene Front dagegen vorgehen können. Im Zusammenhang mit dem Überfall des Regionalbeauftragten auf die Radio- und Fernsehstation kri-
tisierte der Informationsminister Nape Nnaye dieses Vorgehen und wurde infolge dieser Kritik von Magufuli aus dem Amt entlassen. Wie schätzen Sie diese Reaktion ein?
Es ist tragisch und bedeutet gleichzeitig, dass alle schnell ersetzbar sind. Es zeigt auch, dass der Präsident bereit ist, alles zu tun, um seine Ziele zu erreichen. Gleichzeitig ist es ein Zeichen für die Spaltung innerhalb der Regierungspartei CCM, denn der Informationsminister war nicht nur einer ihrer mächtigsten Vertreter, sondern auch ein vielversprechender Aufsteiger innerhalb der Partei. Und so ist es auch unser Anliegen, progressive Regierungsmitglieder zu kontaktieren, um zu erreichen, dass der Präsident für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen wird.
Kontakt zu progressiven Regierungsmitgliedern und zu anderen Oppositionsparteien. Ist der Besuch des CHADEMA-Abgeordneten Godbless Lema, der kürzlich unter fragwürdigen Umständen inhaftiert wurde, auf der Allgemeinen Demokratischen Versammlung der ACT im März ein erstes Zeichen eines sich anbahnenden Bündnisses?
Durchaus. Lema ist nicht nur Abgeordneter, sondern auch Vorstandsmitglied von CHADEMA und hat viele Unterstützer innerhalb der Partei. Durch seine unrechtmäßige viermonatige Haft, – das Gericht hat bei der Berufung geurteilt, dass kein Grund für eine Inhaftierung vorliegt –, ist der Respekt ihm gegenüber in der Partei und der gesamten Bevölkerung gewachsen. Ich sehe Lemas Besuch als sehr wichtiges Signal für ein mögliches breiteres Oppositionsbündnis. Darüber hinaus habe ich Anrufe von CHADEMA-Abgeordneten erhalten, die den Austausch mit der ACT suchen.
Bündnisfähigkeit heißt Kompromisse schließen. Eine Gefahr für das Profil der ACT?
Wir gehen damit sehr sorgsam um, weil wir sicher gehen wollen, dass unsere Agenda nicht in einem Bündnis geopfert wird. Denn ein wichtiger Grund für die Gründung der ACT war, dass zwischen der Regierungspartei und den Oppositionsparteien keine Unterschiede mehr hinsichtlich der Gestaltung von Wirtschaft oder Gesellschaft wahrnehmbar waren. Sie folgen alle einem neoliberalen Politikansatz. Die politische Auseinandersetzung dreht sich nur um das Erringen von Macht. Für uns dagegen muss eine Partei auf politischen Prinzipien beruhen und entsprechende Themenfelder besetzen, etwa wie die Wirtschaft gesteuert und die Gesellschaft organisiert werden soll.
Die ACT ist eine junge Partei, noch keine drei Jahre alt, und ist mit nur einem Abgeordneten im Parlament vertreten. Was können Sie mit Ihrer parlamentarischen Arbeit erreichen?
Die Stärke der ACT liegt in ihrer klaren inhaltlichen Positionierung. Unsere Arbeit wird angeleitet durch unsere Tabora-Deklaration, die deutlichen Bezug auf die Arusha-Deklaration nimmt. In der wird bereits 1967 durch Julius Nyerere (erster Staatspräsident Tansanias und Begründer der sozialistischen Dorfgemeinschaften (Ujamaa), d. Red.) eine selbstständige sozialistische Entwicklung für Tansania aufgezeigt. Genau diese eindeutige inhaltliche Ausrichtung hat dazu beigetragen, dass wir als eine relevante Partei wahrgenommen werden, über die auch in den Medien berichtet wird. Jedoch muss ACT noch weiter wachsen, sowohl die Basis viel stärker organisieren als auch uns international stärker aufstellen. Darum bemühen wir uns um Bündnisse mit linken Parteien in Afrika und in Europa. Wir haben also nicht nur ein innenpolitisches, sondern auch ein außenpolitisches Programm, das unserem Anspruch einer internationalen Solidarität gerecht wird.