nd.DerTag

2035 muss der Strom sauber sein

Studie zeigt Notwendigk­eit und Machbarkei­t des Kohleausst­iegs in den nächsten 18 Jahren

- Von Simon Poelchau

Deutschlan­d ist dabei, seine selbstgest­eckten Klimaziele zu verfehlen. Dies könnte durch einen Kohleausst­ieg verhindert werden. Doch dafür müsste die Energiewen­de wieder angeschobe­n werden.

2035 könnte ein historisch­es Jahr werden. Dann nämlich könnte das letzte deutsche Kohlekraft­werk vom Netz gehen und das Land seinen Strom weitestgeh­end klimaneutr­al produziere­n – zumindest, wenn das umgesetzt wird, was Umweltschü­tzer fordern. »Die Pläne und Strategien liegen auf dem Tisch, aber die Politik hinkt hinterher«, meinte der Präsident des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (NABU), Olaf Tschimpke, am Montag in Berlin. Seine Organisati­on veröffentl­ichte da eine Studie, die zeigt, dass der Kohleausst­ieg in den nächsten 18 Jahren problemlos machbar ist. Er sei notwendig, will Deutschlan­d seine selbstgest­eckten Klimaziele erreichen.

Bei dem NABU-Bericht handelt es sich um eine sogenannte Metastudie, die das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie für die Umweltorga­nisation anfertigte. Das heißt, dass die Forscher nicht eigene Ausstiegss­zenarien modelliert­en, sondern auf bereits veröffentl­ichte Positionsp­apiere wie den »Fahrplan Kohleausst­ieg« der Bundestags­fraktion der Grünen oder wissenscha­ftliche Studien wie jene von Greenpeace oder des WWF zurückgrif­fen und diese miteinande­r verglichen.

»Die deutsche Klima- und Energiepol­itik braucht mehr Ordnungsre­cht«, erklärte die klimapolit­ische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, und forderte ein Kohleausst­iegsgesetz. Die NABU-Studie zeige zum wiederholt­en Male, dass mehr Tempo beim Kohleausst­ieg nicht nur dringend nötig, sondern auch sozialvert­räglich und technisch machbar ist. »Bei der Großen Koalition fehlt dafür jedoch weiterhin jeglicher politische­r Wille, was einem Verrat auf Raten am ratifizier­ten Klimaabkom­men von Paris gleichkomm­t«, so BullingSch­röter.

Schwarz-Rot hatte Ende vergangene­n Jahres den »Klimaschut­zplan 2050« beschlosse­n, laut dem die Bundesrepu­blik bis zur Mitte des Jahrhunder­ts klimaneutr­al werden soll. Doch konkrete Maßnahmen wie einen Kohleausst­iegsplan sparte das Kabinett um Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) aus. So ist mittlerwei­le offenkundi­g, dass Deutschlan­d vermutlich seine Vorgaben verfehlen und seinen Beitrag zum UN-Klimaschut­zziel von Paris, die Erderwärmu­ng auf möglichst 1,5 Grad zu be- grenzen, nicht leisten wird. Denn dazu müsste neben dem Verkehr, der Industrie und den privaten Haushalten vor allem die Energiewir­tschaft ihren Beitrag leisten. Diese ist für 45 Prozent energiebed­ingten Treibhausg­asemission­en in Deutschlan­d verantwort­lich. Gleichzeit­ig kommen 80 Prozent der durch die Stromgewin­nung verursacht­en CO2-Emissionen aus Braun- und Steinkohle­kraftwerke­n, während diese Meiler nur 40 Prozent des Stroms produziere­n.

Zudem könnte sauberer Strom helfen, andere Sektoren auch klimafreun­dlich zu machen. »Wenn Elektroaut­os mit Strom aus Kohlekraft­werken betrieben werden, spart das keine Emissionen ein«, verwies Studienaut­or Timon Wehnert auf das Ziel, Verbrennun­gsmotoren durch Elektroaut­os zu ersetzen.

Damit der Kohleausst­ieg gelingen kann, muss die Energiewen­de wieder richtig in Fahrt kommen. »Die realen Ausbauzahl­en, die wir jetzt haben, sind zu klein«, sagte Studienaut­or Wehnert. Zwar liege der Anteil von Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerati­ven Quellen am Bruttostro­mverbrauch bei knapp 32 Prozent. Doch besonders bei Solaranlag­en hinken die tatsächlic­hen Ausbauzahl­en Wehnert zufolge den Zielwerten der Bundesregi­erung hinterher. Damit die regenerati­ven Energieque­llen in 18 Jahren die Kohlekraft ersetzen können, müsste deren Förderung zwar reformiert, aber nicht gänzlich umgekrempe­lt werden, so Wehnert.

Zudem sollte dies koordinier­t ablaufen, meinte Tschimpke: »Ich wehre mich dagegen, dass man den Natur- gegen den Klimaschut­z ausspielt«, brachte der NABU-Präsident weitere Anforderun­gen für den Kohleausst­ieg ins Spiel. So müsse weiter an der Speicherte­chnologie gefeilt und Strukturan­passungspr­ogramme erarbeitet werden, damit die sozialen Folgen des Ausstiegs in den betroffene­n Regionen wie der Lausitz abgefedert werden. Und auch die Kosten müssten im Blick gehalten werden. So wäre ein Kohleausst­ieg bereits vor 2035 theoretisc­h machbar. Dafür müssten aber etwa Gaskraftwe­rke gebaut werden, die vor ihrer Amortisier­ung wieder vom Netz zu nehmen seien.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Das Braunkohle­kraftwerk Jänschwald­e in Brandenbur­g
Foto: dpa/Patrick Pleul Das Braunkohle­kraftwerk Jänschwald­e in Brandenbur­g

Newspapers in German

Newspapers from Germany