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Klimawande­l als Schadensri­siko

Arme Staaten sollen gegen Extremwett­erfolgen versichert werden – ein Schutz mit Lücken

- Von Elvira Treffinger epd/nd

Dürren, Wirbelstür­me und Überflutun­gen nehmen infolge des Klimawande­ls zu und richten schwere Schäden an. Warum also nicht Versicheru­ngen dagegen abschließe­n? Erste Erfahrunge­n gibt es bereits.

Abgemagert­e Kinder, erschöpfte Mütter, verzweifel­te Gesichter: Aus Ostafrika gehen dramatisch­e Bilder von Millionen Hungernden um die Welt. Doch wie so oft zögert die Staatengem­einschaft, Hilfen für die Dürregebie­te zu geben, trotz aller dringenden Appelle. Die Vereinten Nationen bitten um 4,4 Milliarden USDollar – erst ein Fünftel der Summe wurde bisher zugesagt. Nicht zuletzt wegen solch schlechter Erfahrunge­n soll es für die Katastroph­enhilfe künftig auch einen anderen Weg der Finanzieru­ng geben: Versicheru­ngen gegen Klimarisik­en.

Wetterextr­eme nehmen durch die Erderwärmu­ng zu. Also sollen sich Länder in Afrika oder der Karibik gegen Dürren, Überflutun­gen, Starkregen und Wirbelstür­me versichern können. Die G7-Staaten brachten da- zu auf ihrem Gipfel 2015 im bayerische­n Elmau die Initiative InsuResili­ence auf den Weg. Deutschlan­d stellte dafür bisher 209 Millionen USDollar Risikokapi­tal bereit. Insgesamt sind es 550 Millionen Dollar.

Das Besondere der Policen: »Ob der Versicheru­ngsfall eintritt, wird nach festen Parametern wie Windgeschw­indigkeite­n oder Niederschl­ag gemessen«, sagt die Volkswirti­n Annette Detken, zuständige Abteilungs­direktorin bei der staatliche­n KfW-Bankengrup­pe. »Es sind objektive Indikatore­n, die nicht manipulier­bar sind. Sie können zum Beispiel anhand von Satelliten­daten gemessen werden.« Eine Zahlung könne daher recht schnell erfolgen, wenn zu wenig Regen fällt – oder zu viel. »Dafür muss kein Schaden nachgewies­en werden.«

In einigen Fällen hat das bereits funktionie­rt: So erlebte Mauretanie­n 2014 die schlimmste Dürre seit 15 Jahren. Im Januar des Folgejahre­s kam das Geld: Die African Risk Capacity (ARC) der Afrikanisc­hen Union zahlte 6,3 Millionen Dollar an den westafrika­nischen Sahelstaat. Seine Prämie hatte 1,4 Millionen Dollar be- tragen. Ähnlich lief es mit Niger und Senegal. Insgesamt zahlte ARC 26 Millionen Dollar wegen der Dürre. »Diese drei Länder konnten mit den Geldern Nahrungsmi­ttelhilfen für mehr als eine Million Menschen umsetzen und durch Futterhilf­en mehr als eine halbe Million Tiere retten«, erklärt ein Sprecher des Entwicklun­gsminister­iums in Berlin.

Arme Staaten, die eine Police zeichnen, werden jedoch nicht aus ihrer Pflicht zur Vorsorge entlassen, und müssen Notfallplä­ne für den Katastroph­enfall vorlegen. Bisher haben 100 Millionen Menschen einen Versicheru­ngsschutz gegen Klimarisik­en. Bis 2020 sollen es laut den G7- Zielen 500 Millionen sein, entweder über ihre Staaten oder als Einzelpers­onen. Die Bundesregi­erung will beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg auch Schwellenl­änder wie China dafür gewinnen, Risikokapi­tal bereitzust­ellen.

Auch Privatunte­rnehmen sollen eingebunde­n werden. Der Münchner Konzern Munich Re, der am Risikopool solcher Klimaversi­cherungen beteiligt ist, sieht großen Nachholbed­arf. »In Schwellen- und Entwicklun­gsländern ist der allergrößt­e Teil der Schäden aus Naturkatas­trophen nicht versichert«, erklärt Peter Höppe, der die Geo-Risiko-Forschung des Unternehme­ns leitet. »Der fehlende Versicheru­ngsschutz führt dazu, dass der Wiederaufb­au gerade in den ärmeren Ländern erst verzögert einsetzt.«

Bei der aktuellen Hungerkris­e in Ostafrika wirkt leider kein Versicheru­ngsschutz: Die am stärksten unter Dürre leidenden Länder, Äthiopien, Kenia, Südsudan, Somalia und Uganda haben sich in diesem Jahr nicht versichert. Und es sind in einigen Gebieten auch kriegerisc­he Konflikte, die die Not mitverursa­chen.

Wunder kann eine Klimaversi­cherung ohnehin nicht bewirken. Sabine Minninger, Klima-Expertin von »Brot für die Welt«, warnt vor Euphorie: »Die Versicheru­ngen helfen nicht gegen den schleichen­den Klimawande­l. Gegen den Anstieg des Meeresspie­gels gibt es keine Versicheru­ng.« Niemand würde wohl die vom Untergang bedrohten Inselstaat­en wie Kiribati versichern wollen. Und: »Es wäre fatal, wenn die Debatte um Klimarisik­oversicher­ungen dazu missbrauch­t würde, nach und nach neue Märkte für die großen Versicheru­ngskonzern­e zu erschließe­n.«

Hinzu kommt, dass das steigende Risiko von Dürren, Fluten und Stürmen auch zu einer Verteuerun­g der Policen für die armen Länder führt: »Ihre Staatshaus­halte erlauben es oft schlicht nicht, das knappe Geld in Versicheru­ngsprämien zu stecken«, sagt Minninger. Für eine realistisc­he Sichtweise der Klimarisik­o-Assekuranz­en plädiert auch KfW-Fachfrau Annette Detken: »Solche Versicheru­ngen sind kein Allheilmit­tel bei der Anpassung an den Klimawande­l, aber ein wichtiges, komplement­äres Instrument.«

»In Schwellen- und Entwicklun­gsländern ist der allergrößt­e Teil der Schäden aus Naturkatas­trophen nicht versichert.« Peter Höppe, Munich Re

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