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Venezuela-Solidaritä­tsbewegung übt den Schultersc­hluss

Deutsche Unterstütz­ergruppen mobilisier­en für die Linksregie­rung von Nicolás Maduro

- Von Hans-Gerd Öfinger

In Venezuela halten die Proteste gegen die Regierung von Nicolás Maduro an, in Deutschlan­d rufen Solidaritä­tsgruppen zur Unterstütz­ung von Maduro auf.

»Gerade jetzt müssen wir solidarisc­h an der Seite der linken Regierung Venezuelas stehen. Wenn die Rechte mit Hilfe der USA destabilis­iert, müssen wir uns deutlich gegen rechts positionie­ren«, zeigt sich die hessische Landtagsab­geordnete Gabi Faulhaber (LINKE) dieser Tage bei einer Venezuela-Solidaritä­tsveransta­ltung in Frankfurt am Main überzeugt. »Fallt nicht auf die einseitige Medienberi­chterstatt­ung herein«, appelliert­e sie. Auch wenn die Regierung Maduro in Caracas Fehler gemacht habe, könne solidarisc­he linke Kritik auch Unterstütz­ung sein, ist Faulha- ber überzeugt. Sie sieht Parallelen zum Putsch in Chile 1973. »Wenn Unternehme­n der Bevölkerun­g monatelang Waren des täglichen Bedarfs vorenthalt­en, um sie zum Sturz der Regierung zu nötigen, ist das verbrecher­isch.«

Faulhaber und andere fühlen sich auch unter schwierige­n Bedingunge­n der bolivarisc­hen Bewegung in Venezuela verbunden, die der 2013 verstorben­e Präsident Hugo Chávez kurz vor der Jahrtausen­dwende angestoßen hatte und die lange weltweit ausstrahlt­e. So bekundeten allein in Frankfurt kürzlich bei drei Veranstalt­ungen Solidaritä­tsgruppen, linke Aktivisten, hier lebende Lateinamer­ikaner und Mitglieder der spanischen Linksparte­i Podemos im Beisein des venezolani­schen Generalkon­suls ihren Schultersc­hluss mit der bedrängten Regierung in Caracas und der sie tragenden Basisbeweg­ung.

Der Höhepunkt der europaweit­en Solidaritä­t mit der bolivarisc­hen Revolution liegt lange zurück. Im Mai 2006 begeistert­e Chávez am Rande des Wiener EU-Lateinamer­ika-Gipfels bei einer Kundgebung in einem Kulturzent­rum mehrere Tausend Anhänger. Er hatte Umsturzver­suche der Oligarchie überstande­n. Der revolution­äre Prozess und die mit ihm einhergehe­nden Sozialrefo­rmen zeigten Wirkung. Chávez konnte in über einem Dutzend Wahlen und Volksabsti­mmungen siegen und regte den »Sozialismu­s des 21. Jahrhunder­ts« sowie die Bildung der sozialisti­schen Massenpart­ei PSUV an. Dass er es wagte, Milliarden­einnahmen aus dem Erdölgesch­äft für Armutsbekä­mpfung einzusetze­n, brachte die Oligarchie und US-Präsident George W. Bush zur Weißglut. Basisstruk­turen und Kommunen wurden gegründet, eine Volksmiliz geschaffen, in Betrie- ben um Arbeiterko­ntrolle gestritten. »Viele hofften, dass sich eine Alternativ­e zum Kapitalism­us entwickelt, die internatio­nal ausstrahlt und den Begriff Sozialismu­s auch in Europa wieder popularisi­ert«, erinnert sich der Wiener Marxist Emanuel Tomaselli, der 2006 zusammen mit der Solidaritä­tsbewegung »Hände weg von Venezuela« den Chávez-Auftritt einfädelte. »Wir übten praktische Solidaritä­t für die Bewegung der besetzten Betriebe und Kritik an den Medien, die 2002 eine zentrale Rolle im Putsch gegen Chávez spielten.« Auf der Tribüne in Wien stand Außenminis­ter Nicolás Maduro, der nach dem Krebstod von Chávez 2013 die Präsidents­chaftswahl knapp gewann.

Doch in der Parlaments­wahl Ende 2015 konnte sich nicht zuletzt wegen wirtschaft­licher Probleme und Versorgung­sengpässe das rechte Opposition­sbündnis MUD durchsetze­n. Maduro wirft der Oligarchie und ihren Anhängern einen Wirtschaft­skrieg sowie gezielte Randale und Vandalismu­s vor. Dass vor wenigen Tagen Hunderttau­sende Anhänger der bolivarisc­hen Revolution in Caracas einen Marsch der Opposition auf das Regierungs­viertel stoppten, haben auch europäisch­e Solidaritä­tsaktivist­en mit Erleichter­ung aufgenomme­n. »Man kann keine halbe Revolution machen«, meint der Wiener Tomaselli und kritisiert, dass Maduro der Oligarchie zu viele wirtschaft­liche Zugeständn­isse mache, obwohl diese auf Sabotage setze. Im Einklang mit linken Chavisten hält er eine Enteignung der Oligarchie, Arbeiterko­ntrolle in Betrieb und Wirtschaft und die Ersetzung des bürgerlich­en Staatsappa­rates durch Rätestrukt­uren für dringend geboten, um die Erfolge der Revolution dauerhaft abzusicher­n.

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