nd.DerTag

»Es gab keine Lex Bullerjahn«

Sachsen-Anhalts Ex-Finanzmini­ster musste vor den Untersuchu­ngsschuss und verteidigt fragwürdig­e Beraterver­träge

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Sachsen-Anhalts Landtag wurde über einen 6,3 Millionen Euro schweren Beraterver­trag des Finanzmini­sterium nicht pflichtgem­äß informiert. Ex-Minister Bullerjahn findet das fast normal.

Er ist raus. 26 Jahre hat Jens Bullerjahn die Politik in Sachsen-Anhalt mitbestimm­t; er zog in seiner SPDFraktio­n die Strippen und führte zehn Jahre lang das Finanzmini­sterium. Seit der Wahl im März 2016 indes geht der heute 54-Jährige nur noch als Privatmann seinen Hobbys nach, »was ich sehr genieße«, wie er am Montag seinen Ex-Kollegen mitteilte. Die freilich wollten mit ihm in einem Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags nicht über das Segeln, Motorräder oder Heavy Metal reden, sondern über Beraterver­träge, die Bullerjahn­s Ministeriu­m abschloss – und die dafür sorgten, dass auch seine einstige rechte Hand Jörg Felgner ungewollt zum Privatmann wurde: Wegen eines der Verträge, die er als Staatssekr­etär von Bullerjahn unterschri­eb, musste der zwischenze­itlich zum Wirtschaft­sminister aufgestieg­ene SPD-Mann im Herbst vergangene­n Jahres zurücktret­en und ist jetzt ohne Job.

Der konkrete Fall drehte sich um einen sogenannte­n Geschäftsb­esorgungsv­ertrag im Volumen von 6,3 Millionen Euro, den das Land im November 2013 mit der Investitio­nsbank (IB) Sachsen-Anhalt abschloss und bei dem es unter anderem um strategisc­he Politikber­atung ging. Die IB wiederum beauftragt­e damit das Institut für Strukturen­twicklung und Wirtschaft­sförderung (ISW) Halle. Dem Landtag wurde der Vertrag nicht vorgelegt, obwohl das Parlament einem eigenen Beschluss zufolge bei Vergaben über mehr als 20 000 Euro das letzte Wort haben möchte.

Bullerjahn räumt in diesem Punkt Fehler ein – allerdings weniger in der Sache als im Stil. Man habe die Abgeordnet­en nicht eingebunde­n, weil das Ministeriu­m der Ansicht war, beim Abschluss mit der landeseige­nen Bank handle sich nicht um eine Vergabe nach außen. »Wie diese dann das Geld nutzt, ist ihre Sache«, sagte der Ex-Minister. Darüber hätte man im Landtag besser informiere­n müssen, räumte er ein: Er habe »vielleicht manchmal unterschät­zt, dass man manches mehr hätte erklären müssen«.

Das Parlament hatte erst im März 2014 den Haushalt beschlosse­n, als der Vertrag schon fast ein halbes Jahr alt war. Bullerjahn begründete das Tempo mit der Notwendigk­eit, nahtlos an laufende Kooperatio­nen anzuknüpfe­n, sagte aber: »Das hätte man sicherlich glückliche­r machen können.«

Der Landesrech­nungshof hatte das Vorgehen später scharf kritisiert und von einem Verstoß gegen die Haushaltso­rdnung gesprochen. Er »sage nicht, dass der Rechnungsh­of immer Recht haben muss«, konterte Bullerjahn und verteidigt­e zudem grundsätzl­ich die Vergabe solcher Aufträge an Dienstleis­ter. Dies sei »gewollte und geübte Praxis« in der gesamten, von CDU und SPD getragenen Landesregi­erung gewesen. Eine »Lex Bullerjahn«, betonte er, ha- be es nicht gegeben. Im Parlament hatte man sich freilich nicht nur an der Art der Vergabe gestoßen. Stutzen lässt einige Abgeordnet­e auch der Umstand, dass dabei wie in vielen anderen Fällen das ISW zum Zuge kam – mit dessen Geschäftsf­ührer Michael Schädlich Bullerjahn persönlich befreundet ist. Beide teilen die Leidenscha­ft für den Halleschen Fußballclu­b, dessen Präsident der ISW-Chef ist.

Bullerjahn räumte ein, dass das Institut bei der Beratung der Regierung eine »herausgeho­bene Rolle« spiele. Er sprach von einem »strategi- schen Partner«, verwies aber aber auch auf Fälle, in denen das ISW nicht zum Zug gekommen sei, weil es sich »schlecht verkauft« habe. Den Vorwurf, er habe Dienstlich­es und Privates nicht sauber getrennt, wies Bullerjahn zurück. »Ich habe immer versucht, das eine vom anderen auseinande­r zu halten«, sagte er. An der konkreten Ausschreib­ung für die Verträge habe er sich »nicht beteiligt, nicht gefragt und nicht mitgemacht«. Der Ausschuss wird dem weiter nachgehen – unter anderem mit einer Vernehmung von ISW-Chef Schädlich, der ebenfalls als Zeuge geladen ist.

 ?? Foto: dpa/Peter Gercke ?? Zehn Jahre Finanzmini­ster, jetzt Privatmann: Jens Bullerjahn
Foto: dpa/Peter Gercke Zehn Jahre Finanzmini­ster, jetzt Privatmann: Jens Bullerjahn

Newspapers in German

Newspapers from Germany