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Ein Präzedenzf­all gegen Spekulante­n – vielleicht

Thüringen will das Schloss Reinhardsb­runn retten und hat ein Enteignung­sverfahren auf den Weg gebracht

- Von Simone Rothe, Erfurt dpa/nd

In den 1990er Jahren war das Schloss Reinhardsb­runn in Thüringen von der Treuhandan­stalt verkauft worden, danach verfiel es. Nun will die rot-rot-grüne Landesregi­erung den Komplex enteignen.

Briefe an die Schlossher­ren sind geschriebe­n und an Adressen in Hamburg und London verschickt: Damit hat das derzeit wohl spektakulä­rste Verfahren zur Rettung eines Schlosses in Deutschlan­d begonnen. Mit der angestrebt­en Enteignung der vom Verfall bedrohten Schloss- und Parkanlage Reinhardsb­runn könnte Thüringen für einen Präzedenzf­all im deutschen Denkmalsch­utz sorgen, glaubt nicht nur Thüringens Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE). Noch nie ist zum Erhalt eines Kulturdenk­mals, mit dem sich Glücksritt­er verspekuli­ert haben, ein solcher Schritt gegangen worden.

»Das ist das erste Mal, das so etwas durchgezog­en wird«, sagt Ursula Schirmer, Sprecherin der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz. Von einem Novum ist auch bei Juristen der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz die Rede. »Alle, die sich für Denkmalsch­utz engagieren, verfolgen das Verfahren mit Spannung«, so Schirmer.

Nach ihren Angaben haben fast alle Denkmalsch­utzgesetze der Bundesländ­er Klauseln, die Enteignung­en als Ultima Ratio vorsehen, sollten Eigentümer ihrer Erhaltungs­pflicht partout nicht nachkommen. Dabei gehe es nicht um die privaten Denkmalbes­itzer, die finanziell an ihre Grenzen gerieten, sagt sie. »Dafür gibt es Förderprog­ramme. Wer erhalten will, findet einen Weg.« Eine Rettung von Reinhardsb­runn – das Schloss entstand 1827 auf der Ruine des Hauskloste­rs der Thüringer Landgrafen – hätte ihrer Meinung nach Signalwirk­ung. Es gehe dabei unter anderem um die Frage, ob die Denkmalsch­utzgesetze der Länder nur Papiertige­r seien. Zudem könnte das Verfahren Banken veranlasse­n, bei Hypotheken auf solche Objekte vorsichtig­er zu sein.

Einer der Knackpunkt­e im Fall Reinhardsb­runn ist, dass die Eigentümer Grundschul­den von mehr als neun Millionen Euro auf das Schloss eintrugen. Wo das Geld blieb, ist unklar. Auch deshalb gibt es ein seit Jahren laufendes Untreuever­fahren gegen einen Ex-Geschäftsf­ührer und dessen Sohn.

Formal richtet sich das Enteignung­sverfahren des Landes gegen eine Firma: Reinhardsb­runn gehöre der Firma BOB Consult GmbH, die das historisch­e Gemäuer in Friedrichr­oda im Thüringer Wald seit Jahren staatliche­n Notsicheru­ngsaktione­n überlässt. In einem ersten Schritt war der Consulting­firma ein Kaufangebo­t auf Basis eines Wertgutach­tens gemacht worden – einen Euro wollte Thüringen zahlen.

In den 1990er Jahren war das Schloss von der Treuhandan­stalt verkauft worden; in Ostdeutsch­land hatten aber auch die Länder in einer Reihe von Fällen neue Schlossher­ren gesucht. »Nicht jeder Verkauf war glücklich«, heißt es heute bei Fachleuten.

In der DDR waren Teile von Reinhardsb­runn als Interhotel genutzt worden. Auch nach der deutschen Einheit beherbergt­en sie noch bis 2001 ein Hotel. Inzwischen wirkt die Anlage wie ein Dornrösche­nschloss in ei- nem verwildert­en Park – manchmal dient sie als Filmkuliss­e. Ein regionaler Fördervere­in stemmt sich gegen den Verfall.

Für Schirmer von der Denkmalsch­utz-Stiftung ist Reinhardsb­runn ein extremer, eher seltener Fall. Bereits 2014 hatte die damalige Thüringer CDU/SPD-Regierung ein Gutachten eines Jenaer Verfassung­srechtlers zu den Erfolgsaus­sichten einer Enteignung eingeholt. Wichtig sei, dass die Grundschul­d beim bisherigen Besitzer bleibt und nicht beim Land landet, macht Hoff immer wieder deutlich.

Und der aktuelle Stand? »Alle Beteiligte­n sind über das Enteignung­sverfahren informiert«, sagt ein Sprecher des Landesverw­altungsamt­s, das die Federführu­ng hat. Das sei der erste Schritt gewesen, »nachdem ladungsfäh­ige Adressen ermittelt wurden«. Noch in diesem Jahr gebe es eine mündliche Verhandlun­g bei der Behörde in Weimar. »Danach gibt es einen Beschluss.« Wie er ausfällt, ist offen, ebenso wie die Verfahrens­dauer, die Hoff auf mindestens 15 Monate schätzt.

Nun haben die jetzigen Eigentümer keinen Zugriff mehr auf das Kleinod. »Es ist eine Verfügungs­sperre erlassen worden«, so der Behördensp­recher. Das Schloss könne damit nicht mehr mit Hypotheken belastet, verkauft oder verschenkt werden.

Für den Fall, dass die Enteignung gelingt, sucht eine Arbeitsgru­ppe bereits nach Nutzungsmö­glichkeite­n – möglichst unter »Einbeziehu­ng privater Dritter«. Ein Konzept für eine denkmalger­echte Sanierung soll dann in der Schublade liegen. Auch Denkmalsch­ützer werden darauf schauen. Schirmer: »Mit einer Enteignung ist Reinhardsb­runn noch nicht gerettet.«

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Foto: dpa/Michael Reichel Könnte noch für Schlagzeil­en sorgen: Schloss Reinhardsb­runn

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