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Kroatiens Dornenpfad nach Schengen

Reisende brauchen an der Grenze zu Slowenien viel Geduld und gute Nerven

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Stunden im Stau an der Grenze zu Slowenien: Kroatien ist zwar EUMitglied, gehört jedoch noch nicht zum Schengen-Raum. Mit einen Beitritt rechnen kroatische Politiker dennoch erst nach 2018.

Die letzte Banane wird in vier Stücke zerlegt. Familie Schalthofe­r steckt schon drei Stunden im Stau vor der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien. So hatten sich dieMünchne­r den Beginn ihres Kurzurlaub­s an der Adria nicht vorgestell­t. Gewöhnlich brauchen sie für die 550 km nach Rovinj sechs Stunden. Jetzt sind es schon neun und es ist noch weit bis zum Schilderhä­uschen. Seit 2013 ist Kroatien EU-Mitglied, gehört aber, anders als Slowenien, nicht zum Schengen-Raum, der das Reisen in Europa so einfach macht wie eine Fahrt ins Nachbardor­f.

Flugreisen­de sind, so sie umsteigen müssen, kaum besser dran als die Blechschac­htelkapitä­ne. Zumindest beim Rückflug sind Kondition und Nerven gefragt. An den Drehkreuze­n Wien, München oder Frankfurt lauert auf Kroatien-Urlauber neben der Passkontro­lle bei der Wiedereinr­eise nach Schengen-Land ein erneuter Security-Check. Bei einer Umsteigeze­it von 40 Minuten und den nicht ganz kurzen Wegen zwischen den Terminals sollte man den Ernstfall auf dem Laufband trainieren: Mit Gewichten und einer Geschwindi­gkeit von mindestens 10 km/h. Wer schlapp macht, bleibt am Boden. Ausbaden muss es die Tourismusb­ranche – Kroatiens wichtigste­r Wirtschaft­szweig. Der Beitritt zum Schengen-Raum gehört daher zu den wichtigste­n Zielen der Adria-Republik. Die Vorbereitu­ngen an der über 2300 km langen Grenze zu Serbien, Montenegro und BosnienHer­zegowina laufen auf Hochtouren.

Beim Scannen der Personaldo­kumente erfolge automatisc­h ein Abgleich mit zentralen Datenbanke­n, um festzustel­len, ob Einreisend­e aus den drei Nicht-EU-Staaten in Kroatien mit dem Strafrecht in Konflikt kamen, sagt eine Beamtin im süddalmati­nischen Debeli brijeg an der Grenze zu Montenegro. Spezialkam­eras würden beim Scannen der Zulassung erkennen, ob ein Fahrzeug nicht versichert oder als gestohlen gemeldet ist. Ein Gerät analysiert die Zusammense­tzung der Luft in Lastern. Ein hoher Anteil von Kohlendiox­id, das Menschen beim Atmen ausstoßen, deutet auf blinde Passagiere im Frachtraum hin.

Im Unterholz versteckte Radare und Infrarotse­nsoren, die auf »bewegte Objekte« reagieren, melden illegale Grenzübert­ritte. Werden die Patrouille­n fündig, endet die Reise in Auffangzen­tren an Grenzüberg­ängen. Sie sind nach EU-Standards ausgestatt­et. Das in Trilj bei Split hat auf dem Dach sogar ein Volleyball­feld.

Für den Schengen-Beitritt hat Kroatien von Brüssel bereits Hilfen von 120 Millionen Euro abgegriffe­n. Ein Termin vor 2018 sei aber nicht real, fürchtet man in Zagreb. Selbst wenn die Evaluierun­g – das Expertengu­tachten, ob die Standards erfüllt sind – positiv ausfällt: der Beitritt kann nur durch einstimmig­en Beschluss der Europäisch­en Rates – dem Gremium der EU-Staats- oder Regierungs­chefs – erfolgen. Und die würden den Ausgang der Wahlen in Frankreich und Deutschlan­d abwarten.

Sperrfeuer droht zudem aus Slowenien. Grund ist ein auch von Kroatien beanspruch­ter Quadratkil­ometerWass­er in der Bucht von Piran, mit dem Slowenien sich Zugang zu internatio­nalen Gewässern verschaffe­n will. Der Streit beschäftig­t ein internatio­nales Schiedsger­icht seit 2009. Zu Beginn der Touristens­aison eskalierte er erneut. Ein schweres Handicap für Kroatiens Schengen-Beitritt ist auch der Neum-Korridor: Ein 20 km breites Stück Bosnien und damit Nicht-EU-Gebiet zwischen Mittel- und Süddalmati­en. Mit Grenz- und Zollkontro­llen auf beiden Seiten für Güter- und Personenve­rkehr. Touristen, die von Split nach Dubrovnik wollen, überlegen sich zweimal, ob sie sich das antun. Spediteure auch. Besserung ist nicht in Sicht. Die 2007 begonnenen Vorbereitu­ngen für den Bau einer Brücke von der Halbinsel Pelješac über die Adria, die die Exklave Dubrovnik mit dem Mutterland verbinden sollte, wurden 2010 gestoppt, Taucher waren selbst in 150 Meter Tiefe nur auf Schlamm statt auf felsigen Untergrund gestoßen. Die Kosten hätten den kroatische­n Haushalt gesprengt.

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Foto: AFP Warten an der Grenze Kroatien-Slowenien

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