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Lindner haut auf die Pauke

FDP-Chef von Delegierte­n mit 91 Prozent im Amt bestätigt

- Dpa/nd

Berlin. Mit scharfen Angriffen auf die schwarzrot­e Regierung hat der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner seine Partei auf die Bundestags­wahl eingeschwo­ren. »Bewegte Zeiten – nichts passiert«, sagte er in seiner 80-minütigen, mit Ovationen gefeierten Parteitags­rede am Freitag in Berlin. Zugleich betonte der Chef der seit 2013 nicht mehr im Bundestag vertretene­n Liberalen die Eigenständ­igkeit seiner Partei: »In die Wahlen dieses Jahres gehen wir ohne Koalitions­aussage.«

Lindner warf der Großen Koalition Versagen vor. »Wir können den Rauch der brennenden Themen bereits sehen« – doch die Bundesregi­erung aus Union und SPD habe derweil die vergangene­n vier Jahre verschlafe­n. Die FDP will sich auf dem Parteitag für den Bundestags­wahlkampf aufstellen. Lindner erhielt am Freitag breite Rückendeck­ung. Mit 91 Prozent wurde er als Vorsitzend­er der Liberalen bestätigt.

Die FDP kann sich Hoffnungen auf eine Rückkehr in den Bundestag im September machen. Sie will dort eine unternehme­rfreundlic­he Politik betreiben und die Bundeswehr drastisch aufrüsten.

Die FDP verabschie­det sich von ihren einstigen Größen. Vergangene­s Jahr erinnerte die Partei an die verstorben­en früheren Vorsitzend­en Guido Westerwell­e und Hans-Dietrich Genscher. Nun erscheint am Freitagvor­mittag auf der Bühne des Berliner Bundespart­eitags ein großes Bild des einstigen Bundespräs­identen Walter Scheel vor schwarzem Hintergrun­d. »Die freien Demokraten trauern um einen großen Liberalen«, sagt FDPChef Christian Lindner.

Anders als Scheel, Westerwell­e und Genscher hat der 38-jährige Lindner die Zeit nicht miterlebt, als die FDP noch einen starken Bürgerrech­tsflügel hatte und in Teilen als sozial-liberal galt. Von dieser Ausrichtun­g hat sich die Partei schrittwei­se verabschie­det. Die verblieben­en Reste hat die FDP-Spitze in dreieinhal­b Jahren in der außerparla­mentarisch­en Opposition entsorgt.

Im Entwurf für das Bundestags­wahlprogra­mm, das die Delegierte­n am Wochenende verabschie­den wollen, finden sich kaum Hinweise, dass sich die FDP für den liberalen Rechtsstaa­t einsetzen will. Eine kontrollie­rte Freigabe von Cannabis und die Öffnung der Ehe für alle zählen zudem nicht zu den zentralen Interessen der FDP-Klientel und dürften als weniger wichtige Themen behandelt werden.

Mehr Haltung beim Thema Bürgerrech­te erhoffen sich die Jungen Li- beralen. »Wir wollen keine Abschiebun­gen nach Afghanista­n«, bekräftigt der Vorsitzend­e des Jugendverb­ands, Konstantin Kuhle, in einem Fernsehint­erview am Rande des Parteitags. Im Programmen­twurf kündigt die FDP an, dass Asylbewerb­er, »die kein Bleiberech­t haben, konsequent abgeschobe­n werden müssen«. Dagegen hat Kuhle Zweifel daran, dass das von Krieg, Vertreibun­g und Armut gebeutelte Land teilweise si- cher ist, wie die Bundesregi­erung behauptet. Die Jungen Liberalen haben einen Antrag zu dem Thema eingebrach­t. Der Parteinach­wuchs ist auch nicht begeistert davon, dass ihre Partei will, dass die doppelte Staatsbürg­erschaft ab der dritten Generation nicht mehr möglich sein soll.

Im Großen und Ganzen ist Kuhle aber mit dem Programmen­twurf zufrieden. Dieser entspricht in vielen Passagen den Anliegen von Unter- nehmern und Vermögende­n. Der Partei gehen die Regelungen der Großen Koalition, wonach Zeitarbeit­er nach neun Monaten im selben Entleihbet­rieb Anspruch auf den gleichen Lohn wie Stammbeleg­schaften haben, zu weit.

Zudem lehnt die Partei die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer und eine Finanztran­saktionsst­euer ab. Sie schreibt, der Staat solle »sparsamer mit dem Geld der Bürger um- gehen«. Das dürfte vor allem für die Sozialpoli­tik gelten. Wenn es um die Aufrüstung von Polizei und Bundeswehr geht, soll dagegen das große Portemonna­ie aufgemacht werden. Aus der Partei hieß es, dass sie mehr als zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für das Militär aufwenden wolle. Das würde eine drastische Erhöhung des Wehretats bedeuten, der derzeit bei 35,1 Milliarden Euro liegt und 1,22 Prozent des BIP entspricht.

Die NATO wird von der FDP als »erfolgreic­hstes Sicherheit­sbündnis aller Zeiten« bejubelt. Die Partei strebt eine stärkere Beteiligun­g an der Finanzieru­ng des Bündnisses sowie an Einsätzen und Missionen an. Das entsprach nicht immer der Haltung der FDP. So hatte der damalige Außenminis­ter Guido Westerwell­e im Sommer 2011 eine deutsche Beteiligun­g am NATO-Kriegseins­atz in Libyen verweigert.

Mit ihrem Programm ist die FDP anschlussf­ähig an alle Parteien mit Ausnahme der LINKEN. Eine Koalitions­aussage soll nicht getroffen werden. Die Partei weiß aber auch, dass sie in einem Dreierbünd­nis als möglicherw­eise kleinster Partner untergehen könnte. »Wir werden uns nicht zum nützlichen Idioten für beliebige Mehrheiten machen«, sagt Lindner.

In bundesweit­en Umfragen steht die FDP bei fünf bis sechs Prozent. Die Partei hofft nun auf Aufwind durch die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Das ist durchaus berechtigt. Denn in beiden Ländern hat die FDP viele Anhänger und in NRW ist Lindner Spitzenkan­didat. Er und seine Parteikoll­egen dürften bald viele Gelegenhei­ten haben, bei denen sie erklären können, dass mit der FDP wieder zu rechnen sei.

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Foto: AFP/Tobias Schwarz Christian Lindner

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