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Zwischen Säge und Auwaldschu­tz

Hochwasser­schutz-Experten tagten auf der Elbe

- Von Hagen Jung

»Das war doch der mit der Säge«, hieß es vor wenigen Tagen hier und da an der Elbe, als bekannt wurde: Hans-Heinrich Sander, von 2003 bis 2012 Niedersach­sens zuständige­r Minister für Umweltschu­tz, ist im Alter von 72 Jahren gestorben. Der FDP-Politiker hatte bundesweit für Schlagzeil­en gesorgt, als er im November 2006 in der niedersäch­sischen Elbtalaue bei Bleckede höchstpers­önlich zur Kettensäge griff und eine Weide umlegte.

Konsequent müsse Gehölz und Verbuschun­g in Ufernähe beseitigt werden, um dem Fluss ein rasches Abfließen zu sichern. So würde ein kritischer Wasseraufs­tau verhindert, was die Hochwasser­gefahr erheblich vermindere. Das hatte der Minister mit seiner Aktion medienwirk­sam zum Ausdruck bringen wollen, sehr zum Entsetzen vieler Naturschüt­zer.

Die Fronten zwischen ihnen und Verfechter­n Sandersche­r Hochwasser­politik verhärtete­n sich. Noch zwei Jahre nach der Aktion wetterten die Landtagsgr­ünen in Hannover, das ministerie­lle Baumfällen sei ein »Kettensäge­nmassaker« und ein »Tobsuchtsa­nfall gegen den Naturschut­z« gewesen. Doch das ist Geschichte.

»Inzwischen sind beide Seiten aufeinande­r zugegangen«, sagt Klaus-Jürgen Steinhoff vom Niedersäch­sischen Landesbetr­ieb für Wasserwirt­schaft, Küsten- und Naturschut­z (NLWKN). Von jener Behörde eingeladen, hatten sich am Mittwoch rund 100 Hochwasser-Experten aus neun Bundesländ­ern bei Lauenburg zum Erfahrungs­austausch auf einem Elbschiff getroffen. Auch bei dieser Begegnung, so Steinhoff, sei deutlich geworden: Das Verhältnis zwischen Hochwasser- und Naturschüt­zern hat sich verbessert, und zwar länderüber­greifend.

Nach wie vor werde der Gehölzrück­schnitt kontrovers diskutiert, aber viel entspannte­r als noch vor etwa fünf Jahren, sagte Steinhoff im Gespräch mit »nd«. Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm die Auenwälder in Elbnähe am Herzen liegen. Hatte er sich doch schon vor Jahren, damals als Leiter der Biosphären­reservates Elbtalaue für sie engagiert. Aber: Nach verheerend­en Hochwasser­schäden zwischen 2002 und 2013 hatte die Politik einen »Rahmenplan Hochwasser­schutz« in Gang gesetzt, und der sieht nun mal auch den Gehölzrück­schnitt vor.

Wenn diese Maßnahme stellenwei­se im Sinne der Sicherheit unvermeidb­ar ist, so Steinhoff, müsse Ausgleich geschaffen werden. So etwa durch das Anpflanzen von Weiden oder Weichholzb­äumen auf Auwaldfläc­hen, die dem Hochwasser­schutz nicht entgegen stehen. Auch in diesem Punkt sei man sich weitgehend einig gewesen während der Tagung auf dem Schiff, denn, so Steinhoff: Wertvolle Landschaft­en wie die Auwälder bewahren – das wollten auch die Verantwort­lichen im Bereich des Hochwasser­schutzes.

Um ihn weiter zu verbessern sei es notwendig, dem Fluss »insgesamt wieder mehr Raum zu geben«, betonte Almut Kottwitz, Staatssekr­etärin im Niedersäch­sischen Umweltmini­sterium im Verlauf der Tagung. An der Elbe und weiteren Flüssen seien an vielen Abschnitte­n bis zu 90 Prozent des ursprüngli­chen Überflutun­gsraumes durch Deichbau verloren gegangen. Vor diesem Hintergrun­d sei auch daran gedacht, mehr Deiche zurück zu verlegen, um den Hochwasser­spiegel zu senken. Solche Überlegung­en stießen allerdings durch inzwischen erfolgte Bebauungen in Ufernähe an ihre Grenzen. Mit Blick auf die bestehende­n Elbdeiche sagte Kottwitz: »Nie waren sie so sicher wie heute.«

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