Ende der Kreidezeit nicht in Sicht
Mit Laptop-Klassen soll an Schulen die digitale Zukunft beginnen, doch es gibt Probleme
Am Campus Efeuweg in Neukölln gibt es seit längerem Laptop-Klassen und sogenannte digitale Lernumgebungen – die Praxis zeigt jedoch, dass es allein mit vorhandenen Laptops nicht getan ist.
Der Klassenraum der 10c ist ein funktionaler Raum. Von der Decke leuchtet kaltes Neonlicht, das FischgrätenParkett ist ergraut und ausgetreten. An der Rückwand des Klassenraums hängt eine Schiefertafel, auf der Plakate angebracht sind. Denn mit Kreide wird hier nicht mehr unterrichtet, an der Frontseite ist stattdessen ein Smartboard befestigt – eine digitale Tafel. Rechts daneben steht ein Schrank mit einem grünen Plakat, auf dem geschrieben steht: »Laptop dabei?« Darunter sind Namen aufgelistet. Wer den Laptop dabei hat, bekommt einen grünen Punkt, alle anderen einen roten. Obgleich die grünen überwiegen, sind doch einige rote Punkte zu sehen. Aber selbst wenn alle Laptops da sind, kommen sie nur bedingt zum Einsatz.
Wenn es nach dem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag geht, soll dies in Zukunft ganz anders aussehen: Denn in der Vereinbarung ist eine Stärkung der Medienkompetenz und der digitalen Bildung für die Berliner Schülerinnen und Schüler ein wichtiges Anliegen.
Überhaupt ist die »Digitalisierung« in verschiedensten Bereichen zentrales Anliegen des neuen Senats. Doch zwischen Koalitionsvertrag und der Realität vor Ort gibt es eine Diskrepanz, wie im Campus Efeuweg: Dort steht Mittwochmorgen um viertel vor neun Musik auf dem Stundenplan. Lehrer Stefan Zwinggi kündigt als erstes an, dass heute nicht mit den Laptops gearbeitet wird. Es folgt allgemeines Gemurre.
Dass die Laptops im Unterricht weggepackt werden müssen, ist indes keine Seltenheit. »Wir haben echt teure Laptops gekauft und ich meine, da sind noch extra Programme von der Schule drauf gemacht worden, die wir für den Unterricht benutzen könnten, aber das macht halt kein Lehrer«, lautet das frustrierte Fazit des Schülers Matthias (Die Namen aller Schüler sind geändert).
Mike, Matthias und noch fünf andere sehen als Ursache dafür ihre Mitschülerinnen und -schüler. Weil sie die Laptops für soziale Medienkanäle wie Youtube, Facebook und Instagram missbrauchen. Als Reaktion darauf verbieten die Lehrenden die Benutzung der Computer. »Kann man ja auch irgendwie verstehen, aber wozu ist dann eine Laptop-Klasse da?«, fragt sich Nicki. Die Klassenlehrerin Alexandra Gebhardt sieht das Problem dagegen eher darin, dass es nur eine Laptop-Klasse pro Jahrgang gibt. Für die Fachlehrerinnen und -lehrer ist es zu zeitaufwendig, für die Laptop-Klasse eigene Unterrichtseinheiten zu konzipieren.
Schuldirektor Reinald Fischer widerspricht dem, weil mittlerweile jeder Klassenraum mit einem Smartboard ausgestattet ist. Das entlastet natürlich, weil die Tafelbilder digital weitergenutzt werden können.
Die Programme auf den Laptops bieten aber noch viel mehr Möglichkeiten. Zwinggi hat in der Vergangenheit an den Rechnern eine Spektralanalyse von Klängen mit den Jugendlichen durchgeführt. Mit dem Programm »garage-band« konnten sie eigene Musikstücke komponieren. Aber der Musiklehrer hat den Eindruck, dass die Computer die Schülerinnen und Schüler nervös ma- chen, weil ihnen die Grundkenntnisse für eine systematische Arbeitsweise fehlen.
Solche nötigen Grundlagen sollten eigentlich da sein, denn in der 7. und 8. Jahrgangsstufe erhalten alle Klassen ein halbes Jahr lang den Informationstechnischen Grundkurs (ITG). Danach gefragt, ob der ITGUnterricht etwas gebracht hat, sagt Mike: »Nö, war Windows.« Die Laptops sind aber MacBooks. Auch Gebhardt hat einen Windows-Rechner, weil die Schule den Lehrenden keine MacBooks zur Verfügung stellt. Dadurch hat sie nicht die gleichen Programme wie ihre Schülerinnen und Schüler.
Solche Probleme sollen künftig reduziert werden. Der Senat will die digitale Bildung auch durch mehr Fortbildungen für die Lehrenden und den Ausbau der IT-Infrastruktur an den Schulen verbessern. Für Schuldirektor Reinald Fischer liegt das Problem aber in der technische Betreuung – für 120 Rechner sowie die Smartboards sind nur 6000 Euro pro Jahr verfügbar. »Wenn ich in der freien Wirtschaft eine Firma mit 100 Rechnern habe, wird da rund um die Uhr ein IT-Mensch beschäftigt«, so Fischer.