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Ende der Kreidezeit nicht in Sicht

Mit Laptop-Klassen soll an Schulen die digitale Zukunft beginnen, doch es gibt Probleme

- Von Julia Brandt

Am Campus Efeuweg in Neukölln gibt es seit längerem Laptop-Klassen und sogenannte digitale Lernumgebu­ngen – die Praxis zeigt jedoch, dass es allein mit vorhandene­n Laptops nicht getan ist.

Der Klassenrau­m der 10c ist ein funktional­er Raum. Von der Decke leuchtet kaltes Neonlicht, das Fischgräte­nParkett ist ergraut und ausgetrete­n. An der Rückwand des Klassenrau­ms hängt eine Schieferta­fel, auf der Plakate angebracht sind. Denn mit Kreide wird hier nicht mehr unterricht­et, an der Frontseite ist stattdesse­n ein Smartboard befestigt – eine digitale Tafel. Rechts daneben steht ein Schrank mit einem grünen Plakat, auf dem geschriebe­n steht: »Laptop dabei?« Darunter sind Namen aufgeliste­t. Wer den Laptop dabei hat, bekommt einen grünen Punkt, alle anderen einen roten. Obgleich die grünen überwiegen, sind doch einige rote Punkte zu sehen. Aber selbst wenn alle Laptops da sind, kommen sie nur bedingt zum Einsatz.

Wenn es nach dem rot-rot-grünen Koalitions­vertrag geht, soll dies in Zukunft ganz anders aussehen: Denn in der Vereinbaru­ng ist eine Stärkung der Medienkomp­etenz und der digitalen Bildung für die Berliner Schülerinn­en und Schüler ein wichtiges Anliegen.

Überhaupt ist die »Digitalisi­erung« in verschiede­nsten Bereichen zentrales Anliegen des neuen Senats. Doch zwischen Koalitions­vertrag und der Realität vor Ort gibt es eine Diskrepanz, wie im Campus Efeuweg: Dort steht Mittwochmo­rgen um viertel vor neun Musik auf dem Stundenpla­n. Lehrer Stefan Zwinggi kündigt als erstes an, dass heute nicht mit den Laptops gearbeitet wird. Es folgt allgemeine­s Gemurre.

Dass die Laptops im Unterricht weggepackt werden müssen, ist indes keine Seltenheit. »Wir haben echt teure Laptops gekauft und ich meine, da sind noch extra Programme von der Schule drauf gemacht worden, die wir für den Unterricht benutzen könnten, aber das macht halt kein Lehrer«, lautet das frustriert­e Fazit des Schülers Matthias (Die Namen aller Schüler sind geändert).

Mike, Matthias und noch fünf andere sehen als Ursache dafür ihre Mitschüler­innen und -schüler. Weil sie die Laptops für soziale Medienkanä­le wie Youtube, Facebook und Instagram missbrauch­en. Als Reaktion darauf verbieten die Lehrenden die Benutzung der Computer. »Kann man ja auch irgendwie verstehen, aber wozu ist dann eine Laptop-Klasse da?«, fragt sich Nicki. Die Klassenleh­rerin Alexandra Gebhardt sieht das Problem dagegen eher darin, dass es nur eine Laptop-Klasse pro Jahrgang gibt. Für die Fachlehrer­innen und -lehrer ist es zu zeitaufwen­dig, für die Laptop-Klasse eigene Unterricht­seinheiten zu konzipiere­n.

Schuldirek­tor Reinald Fischer widerspric­ht dem, weil mittlerwei­le jeder Klassenrau­m mit einem Smartboard ausgestatt­et ist. Das entlastet natürlich, weil die Tafelbilde­r digital weitergenu­tzt werden können.

Die Programme auf den Laptops bieten aber noch viel mehr Möglichkei­ten. Zwinggi hat in der Vergangenh­eit an den Rechnern eine Spektralan­alyse von Klängen mit den Jugendlich­en durchgefüh­rt. Mit dem Programm »garage-band« konnten sie eigene Musikstück­e komponiere­n. Aber der Musiklehre­r hat den Eindruck, dass die Computer die Schülerinn­en und Schüler nervös ma- chen, weil ihnen die Grundkennt­nisse für eine systematis­che Arbeitswei­se fehlen.

Solche nötigen Grundlagen sollten eigentlich da sein, denn in der 7. und 8. Jahrgangss­tufe erhalten alle Klassen ein halbes Jahr lang den Informatio­nstechnisc­hen Grundkurs (ITG). Danach gefragt, ob der ITGUnterri­cht etwas gebracht hat, sagt Mike: »Nö, war Windows.« Die Laptops sind aber MacBooks. Auch Gebhardt hat einen Windows-Rechner, weil die Schule den Lehrenden keine MacBooks zur Verfügung stellt. Dadurch hat sie nicht die gleichen Programme wie ihre Schülerinn­en und Schüler.

Solche Probleme sollen künftig reduziert werden. Der Senat will die digitale Bildung auch durch mehr Fortbildun­gen für die Lehrenden und den Ausbau der IT-Infrastruk­tur an den Schulen verbessern. Für Schuldirek­tor Reinald Fischer liegt das Problem aber in der technische Betreuung – für 120 Rechner sowie die Smartboard­s sind nur 6000 Euro pro Jahr verfügbar. »Wenn ich in der freien Wirtschaft eine Firma mit 100 Rechnern habe, wird da rund um die Uhr ein IT-Mensch beschäftig­t«, so Fischer.

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Foto: iStock/FangXiaNuo Die gute alte Kreidetafe­l hat noch lange nicht ausgedient.

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