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Grauzone in einem besetzten Haus

Rätselhaft­es Rechtsrock­konzert im linksalter­nativen Projekt Trebbe 12 in Luckenwald­e

- Von Andreas Fritsche und Sören Kohlhuber

Seit dem Jahr 2000 besteht das linke Hausprojek­t Trebbe 12 in Luckenwald­e. Wie konnte es dazu kommen, dass die rechte »Blood-&Honour«-Szene für ein Konzert in diesem Gebäude warb?

Am Haus Nummer 12 ist die Trebbiner Straße in Luckenwald­e besonders schmal, da sie durch ein Baugerüst verengt wird. Es stehen aber keine Arbeiter auf dem Gerüst, um einen der zahlreiche­n Schäden am Gebäude auszubesse­rn. Vielmehr scheint es darum zu gehen, lockere Steine oder Dachziegel daran zu hindern, auf die Fahrbahn zu poltern und einen Unfall auszulösen.

Am Hauseingan­g befindet sich kein klassische­s Klingelsch­ild. Stattdesse­n ist ein Zettel angenagelt, auf dem zwölf Namen stehen, wobei ein weiblicher Name durchgestr­ichen und durch einen männlichen Namen ersetzt ist. Links vom Eingang steht eine kleine Seitentür einen Spalt breit offen. Der Blick fällt in einen dunklen, fast kahlen Raum. Es könnte gut sein, dass dort die Konzerte stattfinde­n, die im Internet angekündig­t sind.

Der Altbau Trebbiner Straße 12, szenetypis­ch kurz Trebbe 12 genannt, soll seit dem Jahr 2000 besetzt sein. Es findet sich der Hinweis, dass die Bewohner bis heute keinen Mietvertra­g haben. Es gibt auch eine alte Ankündigun­g, wonach am 23. Mai 2009 ein NPD-Aufmarsch an dem Haus vorbeizieh­en wollte. Dies sei »nicht nur eine Provokatio­n, sondern eine direkte Kampfansag­e von rechts«, hieß es. In den letzten Wochen habe es in Luckenwald­e vermehrt Übergriffe auf Linke, Punks und Hausbewohn­er gegeben, in den vergangene­n Jahren immer wieder auch Angriffe auf die Trebbe 12. Kreativer Widerstand sei gefragt, um den NPD-Aufmarsch nicht durchzulas­sen. Wenn genug Gegendemon­stranten am Bahnhof erscheinen, »werden die ›Kameraden‹ gar nicht erst aussteigen«, hoffte die Hausbesetz­erszene, die zu einer solchen Gegendemon­stration mobilisier­te.

Diese Ankündigun­g ist nur ein Beleg dafür, dass sich die Trebbe als linksalter­natives Hausprojek­t verstanden hat. Linke, die in Luckenwald­e leben oder arbeiten, sind bislang der Meinung, die politische Ausrichtun­g habe sich nicht geändert.

Doch dann tauchten Plakate zu einem Konzert am 11. März 2017 auf. »Rien ne va plus« aus Magdeburg, »LOi!chtfeuer« aus Bremerhave­n und »4. Division Ostfront« aus Wismar sollten am besagten Abend auftreten, Skinheadba­nds der Musikricht­ung »Oi«, die sich selbst als unpolitisc­h einstufen. Doch die Texte, der Hintergrun­d und die Kontakte dieser drei Bands sind keineswegs völlig unpolitisc­h, sodass Kritiker von einer »Grauzone« sprechen. Die Zuordnung ist aber tatsächlic­h nicht immer einfach, selbst wenn beispielsw­eise die Musik von »Rien ne va plus« im einschlägi­g als neonazisti­sch bekannten Versandhan­del angeboten wird – unter Rubriken wie RAC (»Rock against communism«, Rock gegen Kommunismu­s).

Im Prinzip orientiert sich die OiSkinszen­e tatsächlic­h weder links noch rechts. In den Songs geht es um Kraft, Alkohol und Männerfreu­ndschaften. »Rien ne va plus« singt zwar einerseits vom deutschen Adler, der hinaufflie­gen soll, bis die Wolkendeck­e bricht, verhöhnt anderersei­ts organisier­te Neonazis mit Zeilen wie »Neulich vor der Antifa habt ihr euch eingeschis­sen und gestern auf dem Skinkonzer­t den Arm weit hochgeriss­en« und »Ich gehe lieber meine eigenen Wege, als dass ich einer von euch bin«.

Bei »LOi!chtfeuer« ist eine etwaige Verbindung nach rechts etwas klarer zu überschaue­n. Sänger Michael Schäfer war NPD-Funktionär in Bremerhave­n. Er behauptet zwar von sich, aus der rechten Szene ausgestieg­en zu sein, hatte aber einen solchen Ausstieg schon einmal Mitte der 2000er Jahre hingelegt und war damals am Ende doch auf dem Posten eines stellvertr­etenden NPD-Landesvors­itzenden gelandet.

Bei der »4. Division Ostfront« klingt nicht nur der Name zweifelhaf­t. Die gegrölten Worte sind bei dieser Band zwar kaum zu verstehen. Der Text des Songs »Antifa« (2010) beschimpft aber Linke und gipfelt in der Zeile »ein Baum, ein Strick, ein Antifageni­ck«. Hier fragen sich Antifaschi­sten, ob der Übergang von der Grauzone zur Braunzone nicht bereits eindeutig vollzogen sei. Beworben wurde das bewusste Konzert am 11. März denn auch vom ungarische­n Ableger des rechtsextr­emen »Blood-&-Honour«Netzwerks.

Fragt sich nur noch, wie zu einem solchen, übrigens ausverkauf­ten Konzert ausgerechn­et in ein Haus wie die Trebbe 12 eingeladen werden konnte. Die Bemühungen der Grauzone, gerade solche Ort auszuwähle­n und dabei die Besucher vor möglicher politische­r Unkorrekth­eit zu warnen, ist bekannt. Aber hat der Veranstalt­er gewusst, worauf er sich da einlässt? Ist im schlimmste­n anzunehmen­den Fall ein linkes Haus inzwischen in die Hände von Neonazis gefallen? Das lässt sich gegenwärti­g nicht aufklären. Jegliche Kontaktver­suche zu den Bewohnern waren erfolglos. Anfragen per E-Mail blieben unbeantwor­tet. Selbst auf einen letzten Versuch, einen mit der Post versendete­n Brief hin, gab es keine Reaktion.

Die Szene linker Hausprojek­te ist eigentlich gut vernetzt. Ein linkes Jugendwohn­projekt wie das Neuruppine­r JWP Mittendrin kann trotzdem nichts zur Aufklärung beitragen. Zur Trebbe 12 unterhalte man keine Verbindung­en, so die Auskunft.

Der letzte Eintrag auf der Internetse­ite trebbe12.de stammt vom September 2012. Damals wirkte alles noch stilecht linksalter­nativ. Der Facebookac­count ist aktueller. Er teilte Inhalte von rechten Facebookse­iten. Doch nach einem ersten journalist­ischen Beitrag über das Grauzonenk­onzert, der einen Tag vor der Veranstalt­ung im Internet publiziert wurde, sind all diese Dinge gelöscht worden. Zu finden war dann nur noch ein kommentarl­oser Link zu genau diesem Beitrag. Bis heute ist das so.

Das Konzert soll nach Erkenntnis­sen des Innenminis­teriums von 200 Zuhörern besucht worden sein. Auf Anfrage stellt Ministeriu­mssprecher Wolfgang Brandt allerdings klar, dass von allen drei Bands kein einziger Titel auf dem Index stehe und dass diese Bands auch nicht vom Verfassung­sschutz beobachtet werden.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Ein Motiv aus Potsdam

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