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Der Zug ist noch nicht abgefahren

Gegen einen möglichen Verkauf der Erfurter Bahn regt sich Widerstand

- Von Hans-Gerd Öfinger

Mit seinem Vorstoß zur Privatisie­rung der stadteigen­en Eisenbahng­esellschaf­t Erfurter Bahn GmbH stößt der Erfurter Oberbürger­meister Andreas Bausewein (SPD) auf wenig Gegenliebe.

Andreas Bausewein, Erfurter Oberbürger­meister und SPD-Landesvors­itzender im rot-rot-grün regierten Thüringen, hatte kürzlich quasi im Alleingang einen Verkauf der Erfurter Bahn angeregt. Den zu erwartende­n hohen Verkaufser­lös brauche die Landeshaup­tstadt dringend, um damit die Gebäude städtische­r Schulhäuse­r zu sanieren. Dies sei im Interesse der Stadt wichtiger als der Besitz einer regionalen Eisenbahng­esellschaf­t, so seine Begründung. Kommunalpo­litiker gehen davon aus, dass allein bei Erfurter Schulhäuse­rn derzeit ein Sanierungs­stau von 450 Millionen Euro besteht.

Die Erfurter Bahn (EB) gehört im Freistaat zu den maßgeblich­en Betreibern des regionalen Schienenpe­rsonenverk­ehrs. Sie wurde ursprüngli­ch 1912 als städtische Industrieb­ahn gegründet und bestand auch zu DDR-Zeiten als kommunaler Eigenbetri­eb. Nachdem im Zuge der sogenannte­n »Bahnreform« von 1994 der Regionalve­rkehr zunehmend per Ausschreib­ungen neu vergeben wurde, expandiert­e die EB seit 1998 weit über die Landeshaup­tstadt hinaus und übernahm zu Lasten der bundeseige­nen DB Regio Strecken des Nah- und Regionalve­rkehrs in Thüringen und benachbart­en Bundesländ­ern. Weil der Regionalve­rkehr staatlich subvention­iert wird, können die zum Zuge kommenden Verkehrsge­sellschaft­en hier durchaus profitabel arbeiten. Derzeit fließen jährliche Überschüss­e und Gewerbeste­uerzahlung­en der EB in Höhe von rund einer Million Euro in die Stadtkasse.

Weil sie auf keinen Fall die Hände eines privaten, auf maximale Rendite orientiert­en Verkehrsko­nzerns gera- ten wollen, lehnen Beschäftig­te der EB und die DGB-Bahngewerk­schaft EVG Bauseweins Pläne ab. Sie wollen am kommenden Mittwoch vor dem Rathaus Flagge zeigen und den dort zur Plenarsitz­ung des Stadtrats eintreffen­den Kommunalpo­litikern ein Nein zu jedem Schritt in Richtung Privatisie­rung nahelegen. Bei den allermeist­en Stadtratsm­itgliedern werden sie damit auf offene Ohren stoßen. »Öffentlich­es Gut zu verkaufen, um ein anderes öffentlich­es Gut zu sanieren – mit dieser falschen Logik muss endlich Schluss sein«, so der Linksfrakt­ionschef Matthias Bärwolff gegenüber »nd«. »Erfurt braucht beides: sanierte Schulen und auch weiterhin die Trägerscha­ft für die Erfurter Bahn.« Die Erfurter LINKE ist seit Jahren kommunale Bündnispar­tnerin der SPD und hat inzwischen eine Unterschri­ftensammlu­ng und Onlinepeti­tion gegen den Verkauf der EB gestartet. Auch die opposition­elle CDU hat sich gegen eine Veräußerun­g der stadteigen­en Bahn positionie­rt und einen entspreche­nden Antrag an die Stadtratss­itzung gestellt. In den letzten Tagen sind dem Vernehmen nach in Sachen EB-Verkauf auch führende SPD-Gremien auf Distanz zum eigenen OB gegangen. So stellen Beobachter jetzt die Frage, ob und wie der Rathausche­f in Sachen EB-Verkauf einen geordneten Rückzug antritt.

Bauseweins Vorstoß könnte durchaus mit Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) abgesproch­en sein, der schon als Bundesverk­ehrsminist­er die bundeseige­nen Deutsche Bahn an die Börse bringen wollte. Wichtige Stützpunkt­e und weitere Expansions­interessen in Ostdeutsch­land haben die Unternehme­n Abellio Rail und Transdev, denen Beobachter auch ein Interesse am Kauf der EB nachsagen. Abellio ist aus einer Privatisie­rung von Teilen der Essener Verkehrsbe­triebe entstanden, wurde 2005 mehrheitli­ch vom britischen Finanzhaus Star Capital Partners gekauft und ist jetzt Enkeltocht­er der früheren niederländ­ischen Staatsbahn­en NS. Transdev steht in der Tradition des internatio­nal aufgestell­ten französisc­hen Konzerns Veolia bzw. Connex, der seit den 1990er Jahren verstärkt bei Privatisie­rungen kommunaler Einrichtun­gen der Daseinsvor­sorge mitmischt.

In den letzten Tagen sind dem Vernehmen nach in Sachen EBVerkauf auch führende SPD-Gremien auf Distanz zum eigenen OB gegangen.

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Foto: dpa/Peter Endig Der Regio-Shuttle der Erfurter Bahn im Hauptbahnh­of Leipzig

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