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26 Sekunden fehlen an einer Fabelzeit

Eliud Kipchoge aus Kenia scheitert bei der Marathon-Hetzjagd in Monza mit 2:00:25 Stunden knapp an der historisch­en 2-Stunden-Marke

- Von Christoph Leuchtenbe­rg SID/nd

Eliud Kipchoge holte alles aus seinem perfekt auf diesen Tag hin präpariert­en Körper heraus, doch am Ende verfehlte der Marathon-Olympiasie­ger aus Kenia um 26 Sekunden die magische 2-Stunden-Marke.

Der beste Langstreck­enläufer der Welt ist beim ebenso spektakulä­ren wie umstritten­en Vorhaben, als Erster einen Marathon unter zwei Stunden zu laufen, knapp gescheiter­t. Im Morgengrau­en von Monza lag Kipchoge nach 42,195 km bei 2:00:25 Stunden.

»Ich war total auf diese zwei Stunden fixiert. Auf den letzten Kilometern bin ich ein wenig abgefallen«, sagte der 32-Jährige, wollte aber dennoch festgehalt­en wissen: »Das hier ist historisch. Es war eine gute Reise, es waren sieben Monate voller Hingabe.«

Immerhin: Der Kenianer lag deutlich unter dem gültigen Weltrekord seines Landsmanne­s Dennis Kimetto (2:02:57), als er am Samstagmor­gen um genau 7:45:25 Uhr die Ziellinie überquerte. Doch als neue Bestmarke geht Kipchoges Lauf aufgrund der Umstände nicht in in die Rekordlist­en ein – wegen ständig wechselnde­r Pacemaker.

Für den Sportartik­elgiganten Nike, der das Projekt »Breaking2« als riesiges PR-Vehikel benutzt und geschätzte 30 Millionen Euro investiert hatte, war es durchaus eine Schlappe: Die Macher aus Beaverton (USBundesst­aat Oregon) hatten nie einen Zweifel daran gelassen, dass es nur um diese magische 2-StundenMar­ke ging.

Mit riesigem Getöse hatten sie im Vorfeld für ihr Projekt getrommelt, einige Stunden nach Rennende teilte Konzernbos­s Mark Parker mit reichlich Pathos mit: »Ich habe die Magie von Goldschuhe­n und schnellen Anzügen gesehen. Aber ich habe noch nie etwas Vergleichb­ares wie heute gesehen. Es ist ein Moment der globalen Inspiratio­n, die jeden Athleten in jeder Gemeinscha­ft ermutigt, die Grenzen seines Potenzials zu durchbrech­en.« Es folgte der Verweis auf die Kaufversio­n des für Kipchoge entwickelt­en Schuhs.

Die prominente­n Augenzeuge­n an der abgeschirm­ten Formel-1-Strecke in Monza, auf der Kipchoge und Co. im Windschatt­en eines Führungs- fahrzeugs mit wechselnde­n Pacemakern eine 2,4 km lange Runde 17,5 mal absolviert­en, gaben sich beeindruck­t. »Wahrhaft inspiriere­nd«, nannte die britische Marathon-Weltrekord­lerin Paula Radcliffe den Lauf Kipchoges. Der deutsche Rekordhalt­er Arne Gabius meinte: »Das war unglaublic­h, der Wahnsinn.«

Kipchoge zeigte, was derzeit möglich ist. Trotz des verpassten großen Ziels bewegte er sich in schwindele­rregenden Dimensione­n: Knapp 2:51 Minuten benötigte er für einen Kilometer – mehr als 42-mal in Folge. Die 100 Meter rannte er in 17,5 Sekunden – 422-mal nacheinand­er.

Allerdings geschah all das unter »Laborbedin­gungen«. Ein Wort, das angesichts der langen Dopinghist­orie der Leichtathl­etik und der gegenwärti­gen Debatte über die mögliche Tilgung zweifelhaf­ter Weltrekord­e durchaus Schmerzen verursacht. Seit Herbst wurden Kipchoge sowie seine beiden Mitstreite­r Lelisa Desisa und Zersenay Tadese von einem ganzen Heer an Wissenscha­ftlern betreut, die nichts dem Zufall überließen.

Unter anderem schluckten die Laufstars Thermomete­r in Tabletteng­röße, um die ideale Körpertemp­e- ratur zu ermitteln, jegliche Störfaktor­en im Rennen wurden mit allen Mitteln ausgeschal­tet. Ist das noch Sport? Oder Zirkus? Zumindest zeigt es, was passiert, wenn PR-Strategen die Regie übernehmen.

Als Fazit bleibt: In einem derartigen »Wettkampf« ist die 2-StundenBar­riere durchaus zu knacken. Denn letztlich waren es Kleinigkei­ten, die Kipchoges Lauf in die Ewigkeit verhindert­en. Der frühere Sieger des Bostonmara­thons Desisa und Halbmarath­on-Weltrekord­ler Tadese fielen leistungsm­äßig ab und zu früh zurück, was psychologi­sch nicht gut für Kipchoge war.

So legte Kipchoge die letzten fünf Kilometer nur noch in 14:26 Minuten zurück – auf den zweiten fünf Kilometern waren es noch 14:06 Minuten gewesen. Letztlich war es kleinste menschlich­e Schwäche, die den Ausschlag gab, die nicht planund verhinderb­ar war. Irgendwie dann doch ein wenig beruhigend.

Es deutet sich an, dass Monza nur der Anfang der PR-Hetzjagd war: Nikes großer Konkurrent adidas plant Ähnliches. Auch hier soll die 2-Stunden-Barriere das große Ziel sein. Ein Termin steht noch nicht fest.

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Foto: dpa/Luca Bruno Eliud Kipchoge im Ziel

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