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Pipeline-Konzern bedrängt Bauern

Auf Rügen sollen Landwirte wegen Nord Stream 2 wertvolles Ackerland zu Grünland machen

- Von Martina Rathke, Bergen dpa/nd

Für den Bau der Rügenbrück­e, der B 96n, der Ortsumgehu­ng Bergen und anderer Projekte haben Rügener Bauern immer wieder Flächen bereitstel­len müssen. Leitet Nord Stream die nächste Runde ein?

Valerie und Philipp Riedesel bauen auf ihren Äckern im Südosten der Insel Rügen (Mecklenbur­g-Vorpommern) Weizen, Raps, Gerste und Zuckerrübe­n an. Dass der Pipelineba­uer Nord Stream 2 Begehrlich­keiten für 40 Prozent ihrer Flächen hegt, erfuhren die Landwirte Mitte März erst durch eine Informatio­n der Landgesell­schaft Mecklenbur­g-Vorpommern. Nord Stream, Tochterunt­ernehmen des russischen Gasliefera­nten Gazprom, will im kommenden Jahr mit dem Bau der 1200 Kilometer langen Erdgastras­se von Russland nach Deutschlan­d beginnen. Als Kompensati­on für den Bau der nunmehr schon zweiten Ostsee-Pipeline durch den Greifswald­er Bodden ist auf der Insel Rügen eine großflächi­ge Renaturier­ung von 3000 Hektar Land geplant. Darunter sind auch 1200 Hektar wertvoller Ackerboden, die umgewandel­t werden sollen.

Rund drei Wochen vor Auslegung der Planungsun­terlagen wurden Riedesels und ein Dutzend weiterer Bauern darüber informiert. »Das hat uns sehr beunruhigt und unter enormen Zeitdruck gesetzt«, sagt Valerie Riedesel. Bis Ende Mai müssen die Stellungna­hmen beim Bergamt Stralsund, der zuständige­n Genehmigun­gsbehörde, eingegange­n sein. Fest steht: Die betroffene­n Bauern wollen Widerspruc­h einlegen. »Die Ackerböden auf Rügen sind mit 45 bis 58 Bodenpunkt­en besonders hochwertig«, sagt Bauer Maik Zielian aus Poseritz. Er und seine Kollegen seien nicht bereit, für 25 Jahre Dienstbark­eiten zur Grünland-Umwandlung eintragen zu lassen.

Unterstütz­ung erhoffen sich die Landwirte vom Kreistag. Das vom Bauernverb­and dominierte Bündnis Vorpommern-Rügen will, dass der Kreis im Genehmigun­gsverfahre­n alternativ­e Kompensati­onsmaßnahm­en auf geringerwe­rtigen Böden durchsetzt, für die bereits das Einverstän­dnis oder sogar Ökokonten vorlägen. Das Problem: Diese Flächen – darunter sind Wiesen auf der Halbinsel Fischland oder das Flusstalmo­or der Blinden Trebel – liegen nicht in der Nähe des Pipelineba­us.

Nord Stream 2 erklärt, die Alternativ­projekte geprüft zu haben. Man sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Maßnahmen weniger wirkungsvo­ll als die auf Rügen geplanten seien, sagt Nord Stream-Sprecher Steffen Ebert. Mit der Umwandlung intensiv genutzter Agrarfläch­en in Grünland, Teilwieder­vernässung­en und der Umwandlung von Flächen in Naturwald auf Rügen könne der schädliche Eintrag von Nährstoffe­n in den geschützte­n Greifswald­er Bodden minimiert werden.

Die Landwirte auf Rügen fürchten indes um ihre Existenz. »Auf der Insel wird der Druck auf Landwirte immer größer«, sagt Bündnis-Fraktionsc­hef Manfred Möller. Für den Bau der Rügenbrück­e, der B 96n, der Ortsumgehu­ng Bergen oder für Umweltausg­leichsmaßn­ahmen hätten Bauern immer wieder Flächen bereitstel­len müssen. Hinzu komme der Druck aus dem Tourismus. »Die Insel ist begrenzt«, sagt Möller. Lege man alle Vorgaben zum Vogelschut­z, zu Natura-2000 und zu Nationalpa­rks übereinand­er, seien nur noch 20 Prozent Rügens ohne Schutzstat­us.

Die nun vom Nord Stream 2-Projekt betroffene­n Bauern verweisen auf

Auf Geldzahlun­gen durch den PipelineKo­nzern wollen sich die Landwirte nicht einlassen.

den Paragrafen 15 im Bundesnatu­rschutzges­etz. Demnach dürfen »für die landwirtsc­haftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendige­n Umfang« in Anspruch genommen werden. Das Vorgehen von Nord Stream sei ein Novum. »Es ist das erste Mal, dass Ackerfläch­en in so großem Stile umgewidmet werden sollen«, sagt Bauer Zielian.

Auf Geldzahlun­gen durch den Pipeline-Bauer wollen sich die Landwirte nicht einlassen. »Wir wollen über Generation­en auf Rügen Landwirtsc­haft betreiben«, stellt Zielian klar. Auch Riedesels schließen einen Deal mit Nord Stream aus. »Wir machen Landwirtsc­haft, um Wertschöpf­ung zu erzielen und nicht, um von Subvention­en zu leben«, sagt Valerie Riedesel.

Unterstütz­ung für die Bauern kommt auch vom Landrat des Kreises, Ralf Drescher (CDU). »Wir nehmen die Sorgen der Bauern ernst«, sagt er. Auch der Landkreis wird eine Stellungna­hme im Genehmigun­gsverfahre­n abgeben. Nach Einschätzu­ng des Landrates wäre die Sanierung der Boddengewä­sser südlich von Fischland-Darß-Zingst ein »Superproje­kt« für den Umweltausg­leich. Nord Stream hingegen setzt weiter auf Rügen: »Wir sind zuversicht­lich, dass wir zusammen mit den betroffene­n Eigentümer­n und Pächtern in einem sachlichen und konstrukti­ven Dialog Lösungen finden werden«, sagte Ebert. Es gebe positive Signale. Zudem werde auch nur ein Drittel der beantragte­n Flächen benötigt – also deutlich weniger als 1200 Hektar Ackerboden.

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Fotos: dpa/Stefan Sauer Kalt erwischt: die Landwirte Valerie und Philipp Riedesel. Baumaßnahm­en wie der Bau B 96n (u.) bringen immer neue Einschränk­ungen.

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