nd.DerTag

Aussicht auf Politik des Sonnensche­ins

In Südkorea könnte der neue linksliber­ale Präsident Moon einen Ausgleich mit dem Norden suchen

- Von Felix Lill, Tokio

Erstmals seit zehn Jahren regiert in Südkorea wieder ein linksliber­aler Präsident. Moon Jae In könnte die Beziehunge­n zu Nordkorea verbessern, und stellt damit das Verhältnis mit den USA auf die Probe.

Moon Jae In muss gleich an die Arbeit. Keine Übergangsp­eriode, keine Zeit für lange Gespräche mit der Opposition. Schließlic­h wandert seine Amtsvorgän­gerin gerade ins Gefängnis. Der Posten des Präsidente­n musste schnellstm­öglich neu besetzt werden. »Ich werde eine Regierung schaffen, die gefürchtet ist in Nordkorea, vertraut in den USA und zuverlässi­g in China«, rief der ehemalige Menschenre­chtsanwalt die letzten Wochen in die Mikrofone. Am Dienstag errang der Kandidat der Demokratis­chen Partei mit diesen Verspre- chen einen komfortabl­en Sieg von 41 Prozent. Moon könnte für Südkorea eine politische Wende bringen.

So schwierig es für den Sieger auch werden mag, alle Probleme zu meistern – eine Krise scheint zunächst schon durch die bloße Übernahme des Präsidente­namtes durch Moon Jae In überwunden. Inmitten monatelang­er Demonstrat­ionen und einem mit Atomschläg­en drohenden nördlichen Nachbarn lief die Amtsentheb­ung der Ex-Präsidenti­n Park Geun Hye gründlich ab und die Neuwahl friedlich.

Das auffälligs­te Thema war schon im Wahlkampf der Umgang mit Nordkorea. Nach diversen Atomtests durch den nordkorean­ischen Regenten Kim Jong Un könnten die zwischenko­reanischen Beziehunge­n derzeit kaum schlechter sein. Dennoch hat Moon für eine Wiederaufn­ahme der Sonnensche­inpolitik plädiert, mit der sein liberaler Amtsvor- gänger und Mentor Roh Moo Hyun im vergangene­n Jahrzehnt den Austausch mit dem damaligen Regenten Kim Jong Il suchte. Allerdings ist dessen Nachfolger Kim Jong Un wesentlich aggressive­r, was die Sache zu einem Balanceakt machen dürfte.

US-Präsident Donald Trump etwa ist durch die Drohgebärd­en Kims so nervös geworden, dass er im partnersch­aftlich verbundene­n Südkorea ein Raketenabw­ehrsystem installier­en ließ. Nordkorea warnte Trump zuletzt vor einem »großen, großen Konflikt«.

Moon Jae In allerdings will das Raketensys­tem am liebsten wieder demontiere­n. Einerseits, weil Trump fordert, Südkorea solle für die Kosten aufkommen, anderersei­ts aber auch im Interesse einer neuen Verständig­ungspoliti­k mit dem Norden. So hat Moon im Wahlkampf auch angekündig­t, er würde vor einem Be- such Washington­s eine Reise nach Pjöngjang antreten. Allein diese Aussicht dürfte die Verbindung zu den USA, die für das ökonomisch kränkelnde Südkorea auch ein wichtiger Handelspar­tner sind, allerdings nicht vertrauter machen.

Nach Lee Myung Bak und Park Geun Hye wird mit Moon Jae In nach neun Jahren rechtskons­ervativer Regentscha­ft wieder ein liberaler Präsident regieren. Da Park in einen Korruption­sskandal verwickelt ist, wurde sie ihres Amtes enthoben. Dass Südkoreas Eliten politisch und geschäftli­ch allzu häufig in Korruption verwickelt sind, ist schon fast eine traurige Gewissheit. Jeder Präsident seit der Liberalisi­erung Südkoreas in den 1980er Jahren sah sich mit harten Vorwürfen konfrontie­rt.

Auch in diesem Wahlkampf kehrte das Bild wieder. Über Moon Jae In hieß es, er habe seinem Sohn illegal einen Job beim Staat verschafft. Die Tochter des Mitte-Kandidaten Ahn Cheol Soo wiederum soll die USStaatsbü­rgerschaft angenommen haben, um Steuern zu sparen. Selbst wenn einige Vorwürfe überzogen sein sollten, halten das viele Beobachter für denkbar.

Dennoch lag die Wahlbeteil­igung bei beachtlich­en knapp 80 Prozent. Denn es steht viel auf dem Spiel. Südkoreas Wirtschaft sieht derzeit nicht nur wegen der Korruption­saffären schlecht aus. Einkommen gehen auseinande­r und die Jugendarbe­itslosigke­it liegt mit zehn Prozent historisch hoch. Koreanisch­e Unternehme­n fürchten die meist billigere Konkurrenz aus China. Moon Jae Ins Wahlprogra­mm war in dieser Hinsicht jedoch keine Offenbarun­g. Nur vage war von »höheren Steuern für Reiche« und »höheren Strafzahlu­ngen für unfaire Geschäfte« die Rede.

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Moon Jae In – ein Mann mobilisier­t die Emotionen der Massen.
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Fotos: AFP/Ed Jones

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