Schwierige Versöhnung
Ein syrisches Ministerium will ehemalige Kämpfer wieder in die Gesellschaft integrieren
Nach den Parlamentswahlen 2012 wurden Sie zum Minister für Nationale Versöhnung ernannt. Dieses Ministerium hatte es zuvor in Syrien nicht gegeben. Ist Ihre Arbeit erfolgreich?
Als das Ministerium für nationale Versöhnung eingerichtet wurde, meinten viele, es sei zu früh, um an einer Versöhnung zu arbeiten. Normalerweise beginnt diese nach einem Konflikt, wenn der Krieg beendet ist. Aber uns war vom ersten Tag an klar, dass der Konflikt lange dauern würde.
Uns geht es darum, die Spannungen und die Gewalt zu verringern, um die syrische Gesellschaft und Lebensweise zu erhalten. Natürlich kann Versöhnung allein diesen Krieg nicht vollständig beenden. Das liegt daran, dass es nicht nur interne Ursachen für den Krieg gibt, sondern regionale und internationale Interessen dahinter stehen.
Was konnten Sie bisher erreichen?
Eine sehr gute Nachricht für uns ist, dass etwa 30 000 Häftlinge aus den Gefängnissen entlassen wurden. Wir konnten Entführungen klären und viele Geschädigte frei bekommen. Besonders wichtig ist, dass drei Millionen syrische Bürger infolge der Versöhnungsabkommen in ihre Wohnungen, Dörfer und Städte zurückkehren konnten – und zwar überall im Land.
Westliche Medien und auch Gruppen der syrischen Opposition sprechen von »demografischen Vertreibungen«, von »Zwangsumsiedlungen«, die die syrische Regierung vornehmen würde.
Diese drei Millionen Menschen gehören weder zu einer bestimmten religiösen noch zu einer politischen Gruppe. Manche sind für, andere sind gegen die Regierung. Ziel unserer Versöhnungsarbeit ist, dass wir den Menschen helfen, dorthin zurückzukehren, von wo sie vertrieben wurden. Das ist das Gegenteil von dem »demografischen Wandel«, den die Regierung angeblich vornimmt.
Journalisten konnten den Abtransport von Kämpfern aus Al Waer in Homs beobachten.
Leider wird immer nur über die Busse berichtet, mit denen die Kämpfer und ihre Familien aus Gebieten herausgebracht werden, wo eine Waffenstillstandvereinbarung geschlossen wurde. Sie haben Al Waer angesprochen, das Tausende Kämpfer verlassen haben. Tatsache ist aber auch, das täglich 600, 700, 800 Menschen nach Al Waer zurückkehren. Die Zahl derjenigen, die zurückkehren, ist sehr viel höher als die Zahl derer, die mit ihren Waffen abziehen.
Gibt es Männer, die ihre Waffen niederlegen und in ein Amnestieprogramm der Regierung eingegliedert werden?
Etwa 82 000 Männer haben eine solche Vereinbarung unterzeichnet. Nicht alle waren Kämpfer, einige haben Geld oder Waffen für die Kämpfer transportiert oder ihnen sonstige Dienste geleistet. 82 000 Männer, das ist eine sehr große Zahl. Sie zeigt uns, dass der Konflikt in Syrien beendet wäre, wenn es tatsächlich ein Konflikt zwischen den Syrern wäre.
Aber wir haben hier einen Stellvertreterkrieg, und viele ausländische Kämpfer und Waffen kommen ins Land. Wichtige Entscheidungen darüber, ob Kämpfer einem Waffenstillstand zustimmen oder ob sie ei- ne neue Front eröffnen, werden jenseits der Grenzen getroffen.
Was bedeutet Amnestie?
Die Amnestie ist der erste Schritt und bedeutet noch nicht Versöhnung. Wenn den Männern Amnestie gewährt wurde, müssen sie geschult und wieder in die Gesellschaft integriert werden. Dafür brauchen wir eine Infrastruktur und Geld, was wir leider nicht haben.
Es sind im Wesentlichen zwei Kategorien von Männern, die zu den Waffen gegriffen hatten. Die einen waren Zivilisten, die anderen waren bei der Armee oder bei der Polizei. Diejenigen, die bei der Armee oder bei der Polizei waren, können dorthin zurückkehren. Die Zivilisten, können ihre frühere Arbeit wieder aufnehmen. Falls sie aber ihre Werkstatt oder ihr Lebensmittelgeschäft verloren haben, bietet die Regierung befristete Unterstützung an, also Geld oder eine befristete Arbeit.
Was ist das Ziel des Wiedereingliederungsprogramms?
Dort, wo es eine Versöhnungsvereinbarung gibt, soll der Wirtschaftskreislauf belebt und das normale Zusammenleben stabilisiert werden. Hier könnten die internationale Gemeinschaft oder deren Organisationen diesen Männern helfen, ihr Leben wieder neu zu beginnen. Das würde ihnen Mut machen. Aber leider geschieht es nicht.
Gibt es Kontakt zwischen Ihrem Versöhnungsministerium und den internationalen Institutionen?
Wir haben versucht, Unterstützung für die Rücksiedlung der syrischen Flüchtlinge zu bekommen, die jenseits der Grenzen in den Nachbarländern leben. Aber weder die Regierungen unserer Nachbarländer noch die internationale Gemeinschaft tun etwas, um die Syrer zur Rückkehr zu ermutigen oder sie dabei zu unterstützen.