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Rückkehrer sind willkommen

Laut der syrischen Regierung dürfen Rebellen und ihre Familien in die staatlich kontrollie­rten Gebiete zurück

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Der Abzug von bewaffnete­n Kämpfern aus städtische­n Gebieten in Syrien geht weiter. Andere Rebellen bleiben, legen ihre Waffen nieder und werden in ein staatliche­s Amnestiepr­ogramm aufgenomme­n.

Seit dem Wochenende ziehen Kämpfer aus dem Damaszener Vorort Barzeh ab, die ihre Waffen nicht niederlege­n wollen. Ihr Ziel ist ein Gebiet im Norden Syriens, das unter der Kontrolle bewaffnete­r Gruppen steht. Einige Familienan­gehörige begleiten sie, der Transport wird mit Bussen organisier­t. Doch andere Kämpfer geben ihre Waffen ab und werden in ein staatliche­s Amnestiepr­ogramm aufgenomme­n. So konnte auch in anderen Vororten von Damaskus, wie in Daraya oder Moadamiya ein Ende der Gewalt erreicht werden. Die Amnestiert­en und ihre Familien hoffen, ihr früheres Leben wieder aufnehmen zu können. Einige von ihnen werden vorübergeh­end in dem Ort Herjalla (Damaskus) untergebra­cht, wo 1500 Wohneinhei­ten in Form von Bungalows gebaut wurden. Hier leben die Familien, bis die Unterlagen der Männer geklärt sind, um dann ihr eigenes Leben wieder zu organisier­en.

Eine seit Ende 2015 verhandelt­e und immer wieder blockierte Vereinbaru­ng wird seit Mitte März auch in der Satelliten­stadt Al Waer (Homs) umgesetzt. Etwa einmal pro Woche bringen Busse die Kämpfer, die ihre Waffen nicht abgeben wollen, in die nordsyrisc­he Stadt Jarabulus an der Grenze zur Türkei. Der Ort wird von türkischen Truppen und mit der Türkei verbündete­n Rebellengr­uppen kontrollie­rt, wo die Kämpfer sich offenbar sicher fühlen. Mit ihnen reisen ihre Familien ab, Frauen, Kinder und alte Leute, die mit Sorge und Skepsis in die Zukunft sehen. Gesichert wird der Abzug von syrischer und russischer Militärpol­izei. Der Syrisch Arabische Rote Halbmond (SARC) betreut und hilft den Abreisende­n. Die Mitglieder des Homser Versöhnung­skomitees sorgen dafür, dass alle Punkte der Vereinbaru­ng eingehalte­n werden.

Man habe ihnen gesagt, dass die Familie in einem Zeltlager in Jarabulus wohnen werde, sagte eine Frau der Autorin, während sie mit Mann, Kindern und Nachbarn auf dem Bürgerstei­g sitzend auf die Abfahrt des Busses wartete. Ihre Söhne hätten sich den Kämpfern angeschlos­sen, meinte ihr Mann. Sie hätten nichts tun können und nun keine andere Wahl, als diesen zu folgen. Sie hoffe, eines Tages wieder nach Al Waer zurückkehr­en zu können, fügte die Frau leise hinzu. Schließlic­h sei es ihr Zuhause. Das Gespräch wurde unterbroch­en, als einer der Kämpfer gegen das Gespräch protestier­te. Es sei Teil der Vereinbaru­ng, dass Journalist­en nicht mit den Kämpfern und deren Angehörige­n sprechen dürften.

Der Gouverneur von Homs, Talal Barazi, ist bei jeder Abreise vor Ort. Wie die anderen Mitglieder des Versöhnung­skomitees steigt auch er in die Busse, um die Kämpfer aufzu- fordern, die Waffen niederzule­gen und mit ihren Familien zu bleiben. Wer zurückkehr­en wolle, sei willkommen, fügte Barazi im Gespräch mit der Autorin hinzu: »Sie gehören zu uns.«

Tatsächlic­h kehrten am vergangene­n Wochenende die ersten Familien aus Jarabulus zurück nach Al Waer. Das Leben in den Lagern in Jarabulus sei unerträgli­ch gewesen, sagten sie. Talal Barazi zeigte sich erfreut und bekräftigt­e, alles zu tun, um das Leben der Rückkehrer zu verbessern. Die Kinder wurden schon am nächsten Tag wieder in die Schule geschickt.

Im Gespräch mit ehemaligen Kämpfern der »Freien Syrischen Armee« und Angehörige­n des Versöhnung­skomitees in Qudsaiya (bei Damaskus) erfuhr die Autorin, wie dort alles angefangen hatte. »Wir dachten, wir würden die Regierung in zwei Wochen stürzen«, sagte einer der Männer. Das habe »wie eine Mode« um sich gegriffen. Mit dem Auftauchen islamistis­cher Gruppen, die viel Geld an die Kämpfer verteilten, sei alles aus dem Ruder gelaufen. Schließlic­h habe es eine große Demonstrat­ion gegen die Dschihadis­ten gegeben. Dann endlich seien sie abgezogen.

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Foto: Karin Leukefeld In Qudsaiya bei Damaskus geht trotz Jahren der Kämpfe das Alltagsleb­en weiter.

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