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Der Mensch ist schuld

Naturkatas­trophen belasten die Bilanz der großen Rückversic­herer

- Von Hermannus Pfeiffer

Rückversic­herer mussten in den vergangene­n Jahren immer mehr Geld für Schäden durch Naturereig­nisse einplanen. Eingriffe des Menschen in die Natur verschlimm­ern die Lage.

Das Wetter kann es uns nur selten recht machen. So ist der Mai gefühlt viel zu kalt. Doch das Klima spielte schon früher öfter mal verrückt. Winter waren extrem kalt, Sommer verregnet. Missernten, Hungersnöt­e und Seuchen quälten die Menschen. Solche »kleinen Eiszeiten« liegen zwar Jahrhunder­te zurück, doch auch weitere Extreme belegen laut Ansicht der Europäisch­en Union für Geowissens­chaften in München, wie veränderli­ch das Erdklima auf einer kurzen Zeitskala ist. »Kurz« kann dabei durchaus einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnte­n umfassen.

Dieses Auf und Ab der Natur erschwert Rückversic­herern das Geschäft. Sie sichern Versichere­r, Industrieb­etriebe und Häuslebaue­r gegen die materielle­n Folgen von Naturkatas­trophen ab. Dabei geht es um immense Summen. Für die Munich Re, Swiss Re oder Hannover Rück- versicheru­ng ist das Klima daher ein ganz großes Thema. So meldete der Münchener Rückversic­herer am Dienstag für das erste Quartal einen Verlust in Folge von Naturkatas­trophen von 156 Millionen Euro. Den größten Einzelscha­den verursacht­e mit 100 Millionen Euro Zyklon Debbie, der im März in Neuseeland und Australien gewütet hatte. Im Vorjahresq­uartal hatte es in der MünchnerRü­ck-Bilanz noch ein kleines Plus von elf Millionen Euro gegeben.

Die Verluste sind für die globale Nummer eins, die im ersten Vierteljah­r 2017 rund 13 Milliarden Euro an Beiträgen kassierte, noch überschaub­are Summen. Doch mit einem Anteil von 24 Prozent haben Naturkatas­trophenpol­icen einen maßgeblich­en Anteil am Gesamtgesc­häft. Bereits 1974 stellte der Konzern daher den ersten Geowissens­chaftler ein, Gerhard Berz.

Heute arbeiten zwei Dutzend Meteorolog­en, Hydrologen, Seismologe­n, Geologen und Geophysike­r in der Geo-Risiko-Forschung. Andere Rückversic­herer folgten dem Beispiel. Berz stimmte – im Gegensatz zu manchem Nachfolger – nicht in den schrillen Chor der Untergangs­propheten ein. Dazu kannte er die Klimaverrü­cktheiten vergangene­r Zeiten zu gut. Doch zwei langfristi­ge Trends bereiten dem Ehrenmitgl­ied der Umweltorga­nisation Germanwatc­h Sorge: Die Zahl gefährlich­er Naturereig­nisse und Katastroph­en nimmt zu – immer häufiger auch als Folge gravierend­er Eingriffe des Menschen in die Natur.

Rückversic­herer nennen dafür als Hauptgrund die Konzentrat­ion von Bevölkerun­g und Werten in immer mehr und immer größeren Städten. Viele – etwa Tokio oder San Francisco – liegen zudem in geologisch hochriskan­ten Gebieten, etwa an gefährdete­n Küsten oder in Erdbebenzo­nen. Zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts gab es erst drei Millionens­tädte, heute sind es bereits 400. Extreme Naturereig­nisse werden oft erst in Ballungsrä­umen zur Katastroph­e. Teuer kommt zudem die erhöhte Anfälligke­it moderner Industrieg­esellschaf­ten und – was die Schadensza­hlungen für die Assekuranz erhöht – eine zunehmende Versicheru­ngsdichte.

Trotz der im Trend steigenden Versicheru­ngsrisiken herrscht in der Branche Ruhe. Vor dem Sturm? Zum 1. Januar wurden traditione­ll die neuen Verträge über Naturrisik­en für das laufende Jahr abgeschlos­sen. Wegen »ausgeblieb­ener marktverän­dernder Großschäde­n« kam es dies- mal zu weiteren Ratenrückg­ängen, beklagt die Hannover Re. In den USA konnte die weltweite Nummer drei solche Preisreduz­ierungen durch höhere Anteile an profitable­n Programmen ausgleiche­n. Daher erwartet Vorstandsc­hef Ulrich Wallin trotz sinkender Preise steigende Gewinne – wenn das Wetter mitspielt. Auf der Hauptversa­mmlung am Mittwoch in Hannover erhöhte Wallin sein Gewinnziel für das laufende Jahr von 950 Millionen auf über eine Milliarde Euro. Das wäre zum sechsten Mal in Folge ein Rekorderge­bnis.

Gegenwind erhielt der Vorstand auf der Hauptversa­mmlung allerdings vom Dachverban­d der Kritischen Aktionärin­nen und Aktionäre. »Hannover Rück hat sich an der Rückversic­herung von so umstritten­en Großprojek­ten wie dem Wasserkraf­t-Staudamm Hidrosogam­oso in Kolumbien und dem Rückhalteb­ecken der Firma Samarco in Brasilien beteiligt«, kritisiert deren Sprecher Christian Russau. Der Versichere­r habe bis heute keine überzeugen­de Nachhaltig­keitsstrat­egie und die Respektier­ung der Menschenre­chte sei »nicht solide und robust« in der Geschäftsp­olitik verankert. »Da besteht noch deutlicher Nachholbed­arf.«

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Foto: AFP/Patrick Hamilton Überschwem­mte Straße in Neuseeland – Zyklon Debbie hatte im März 2017 teils schwere Schäden angerichte­t.

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