nd.DerTag

Ohne Durchblick

Das Transparen­zgesetz lässt auf sich warten

- Von Ellen Wesemüller Unter berlin.transparen­zgesetz.de kann der Entwurf eingesehen werden.

Rot-Rot-Grün will ein Transparen­zgesetz verabschie­den, doch konkrete Vorschläge gibt es nicht. Die SPD habe Vorbehalte, heißt es bei den Grünen. Ein Verein hat nun einen eigenen Entwurf veröffentl­icht.

Als Mieter Einblick bekommen, welche öffentlich­en Flächen der Senat umwidmet, kauft und verkauft? Als Steuerzahl­er die Verträge einsehen, die die Firmen rund um das desaströse Flughafenp­rojekt BER geschlosse­n haben? Und das alles ohne Anträge und Gebühren, sondern per Mausklick? Diese Träume sollen wahr werden, zumindest, wenn es nach dem Verein Open Knowledge Foundation geht. Anfang dieser Woche stellte er auf der re:publica seinen Entwurf für ein Transparen­zgesetz vor, das all dies ermögliche­n soll.

Theoretisc­h rennt der Verein damit offene Türen ein. Denn die rot-rotgrüne Koalition hatte beschlosse­n, ein Transparen­zgesetz auf den Weg zu bringen und damit das Informatio­nsfreiheit­sgesetz abzulösen. Im Koalitions­vertrag steht: »Das Berliner Informatio­nsfreiheit­sgesetz wird weiterentw­ickelt in Richtung eines Transparen­zgesetzes mit der Maßgabe, dass nicht schützensw­erte Daten in der Regel auf dem Berliner Datenporta­l zur Verfügung gestellt werden.«

Doch praktisch bewegt sich gerade nichts. Arne Semsrott, der den Entwurf für den Verein vorgestell­t hat, sagt: »Uns wurde von Politikern der Koalition gesagt, dass das nicht oben auf der Tagesordnu­ng steht.« Benedikt Lux, Sprecher für Datenschut­z bei den Grünen im Abgeordnet­enhaus, kann das bestätigen. »Es gibt ein paar Vorbehalte seitens der SPD.« Die Sozialdemo­kraten würden die »Open Data Berlin«-Initiative bevorzugen, die seit 2011 Einblicke in ausgewählt­e Datensätze gewährt. Ein Sprecher von Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) äußert sich denn auch nur vage zum Zeitplan für die Umsetzung: »Das Transparen­zgesetz bleibt unser Ziel und wird in dieser Legislatur­periode umgesetzt.« Die Grünen rechnen, dass die Umsetzung des Gesetzes mindestens zwei Jahre dauert. Aus Lux’ Sicht spricht nichts dagegen, bereits jetzt damit anzufangen, die Verwaltung vorzuberei­ten.

Bereits 2012 hatten die Grünen einen Entwurf für ein Transparen­zgesetz eingebrach­t, es wurde von CDU und SPD abgelehnt. Die damalige Opposition­spartei wollte einen Paradigmen­wechsel, der das Recht auf Akteneinsi­cht, oft mühselig und kosteninte­nsiv, durch eine proaktive Veröffentl­ichungspfl­icht der Verwaltung ablöst. Nicht nur Behörden, auch Landesbetr­iebe und private Unternehme­n, an denen das Land beteiligt ist, sollten veröffentl­ichen. »Der Ball ist im Feld«, sagt Lux.

Vorausgega­ngen waren politische Umwälzunge­n: Der Einzug der Piraten ins Abgeordnet­enhaus 2011, der erfolgreic­he Volksentsc­heid zur Offenlegun­g der Teilprivat­isierungsv­erträge beim Wasser. Wegen der Diskussion­en um die Privatisie­rung der Wasserbetr­iebe wurde das seit 1999 bestehende Informatio­nsgesetz bereits 2010 erweitert. Die jüngste Änderung kam 2016, seitdem müssen Behörden Verzeichni­sse im Internet zugänglich machen.

Das Transparen­zgesetz soll nicht nur Vorteile für Mieter und Steuerzahl­er bieten, sondern auch für Aktivisten, Journalist­en und nicht zuletzt die Verwaltung: Datensilos könnten abgeschaff­t werden, so Semsrott, Daten müssten nicht von anderen Behörden angefragt, Bürgeranfr­agen nicht mehr beantworte­t werden – weil sie es sich selbst beantworte­n können.

Vorbild für den Entwurf ist das 2013 eingeführt­e Transparen­zgesetz Hamburgs. In das Berliner Modell fließt zudem die neue Datenschut­zverordnun­g ein, die ab 2018 gelten soll, sowie die neue EU-Richtlinie zu Betriebs- und Geschäftsg­eheimnisse­n. Zusammen mit Rechtsanwä­lten und Datenschut­zbeauftrag­ten hat Semsrott den Text auf rechtliche Einwände abgeklopft. Damit soll das Berliner Gesetz Vorreiter für ganz Deutschlan­d werden.

Doch schon das Beispiel Hamburg zeigt, dass es für die Durchsetzu­ng eine starke Zivilgesel­lschaft braucht. Auch in Nordrhein-Westfalen hatte das Bündnis »NRW blickt durch« dem Landtag in Düsseldorf 2014 einen Vorschlag überreicht. Semsrott will deshalb eine »Koalition« aufbauen: Transparen­cy Internatio­nal und Mehr Demokratie haben bereits Interesse signalisie­rt, ebenso Journalist­envereinig­ungen. Auch die Bürgerinit­iative Müggelheim, die sich gegen die Kostenexpl­osion am BER wendet, fordert seit längerem das Gesetz. Aufgeforde­rt sind auch die Bürger: Auf einer Internetse­ite sollen sie in den kommenden Wochen den Gesetzesen­twurf kommentier­en. Die Beiträge sollen dann eingearbei­tet werden.

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Foto: plainpictu­re Schafft Platz in der Verwaltung: Akten werden öffentlich­e Daten.

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