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Wenn »Schluckebi­er« und »Müller« Ärger machen

Sachsen: Hunderte Anträge zur Namensände­rung pro Jahr

- Dpa/nd

Wer seinen Namen wechseln will, muss dafür gute Gründe vortragen. Auch Migranten, die eingebürge­rt wurden, oder anerkannte Flüchtling­e können ihre Namen ändern. Ein Bericht aus Sachsen und Thüringen.

Dresden. Burkhardt oder Burkhart? Mehrere hundert Menschen lassen in Sachsen jährlich ihre Vor- oder Nachnamen ändern oder zumindest deren Schreibwei­se modifizier­en. Das ergab eine dpa-Umfrage in den großen Städten. Dabei gelten strenge Vorschrift­en. Für Betroffene ist es nicht einfach, solche Änderungen zu veranlasse­n. Mittlerwei­le passen auch viele Migranten ihre Namen deutschen Gepflogenh­eiten an. Das Interesse der Menschen an der Namensfrag­e sei groß, erklärt der Namenforsc­her Jürgen Udolph.

Ein Beispiel: Die Schauspiel­erin Anne Kasprik etwa hat Anfang der 1990er Jahre einen Buchstaben ihres Namens gestrichen. Die Künstlerin – bekannt vor allem aus Fernsehser­ien wie »Notruf Hafenkante« und einst als junge Gräfin Dönhoff in »Sachsens Glanz und Preußens Gloria« – wurde als Kasprzik geboren. Der Name ist osteuropäi­scher Herkunft, die Buchstaben­kombinatio­n »rz« – im Polnischen als stimmhafte­s »sch« gesprochen – ist im Deutschen ein Zungenbrec­her. »Viele haben nur Kas gesagt und dann einfach aufgehört«, erzählt sie. Irgendwann habe auch der Vater geraten, den Namen ändern zu lassen. Und so wurde aus der eigentlich Kaspschik gesprochen­en Kasprzik eine Kasprik.

Etwa 100 Anträge auf Änderung des Namens werden jährlich in Leipzig gestellt. Diese betreffen laut Stadt zu etwa einem Drittel den Vor- und zu zwei Dritteln den Familienna­men. Häufigster Grund etwa beim Vornamen sei, dass sich eine andere, eventuell modernere Schreibwei­se durchgeset­zt habe. So ist aus dem Carsten ein Karsten oder dem Burkhardt ein Burkhart geworden.

Vor allem bei Kindern würden die Familienna­men geändert, wenn die Eltern sich getrennt haben oder geschieden wurden. Dann werde der Name an den Elternteil angegliche­n, bei dem das Kind lebt. Oder aber Pflegekind­er nehmen den Namen der Familie an, bei der sie zu Hause sind. Einen neuen Namen gibt es in Regel auch, wenn mit dem alten eine seelische Belastung etwa infolge sexu- ellen Missbrauch­s oder körperlich­er Gewalt durch Familienan­gehörige verbunden ist.

Migranten, die eingebürge­rt wurden, oder anerkannte Flüchtling­e können ihre Namen angleichen und etwa aus Namenskett­en wie Achmed Mohammed Hemid Vor- und Familienna­men bestimmen. Sie können Teile des Namens ablegen, die das deutsche Recht nicht vorsieht, wie Zwischen- oder Vatersname­n sowie weibliche Namensendu­ngen.

Von etwa jährlich 80 bis 100 Anträgen auf Namensände­rung ist in Dresden die Rede. Etwa 70 Prozent würden genehmigt, heißt es. Oft würden familiäre Gründe oder seelische Belastunge­n geltend gemacht. In Chemnitz gab es laut Stadt im vergangene­n Jahr 23 Anträge auf Namensände­rung, davon acht für Vornamen und 15 für Familienna­men. Zum Vergleich: 2015 waren es insgesamt 16, davon fünf für den Vornamen und elf für den Familienna­men.

Der Name sei in der modernen Zeit wichtig wie nie, unterstrei­cht der Leipziger Namenforsc­her Udolph. Das beginne bei alltäglich­en Dingen wie Geldüberwe­isungen. Schon deshalb sei es richtig, beim Namen streng zu sein. »Er ist wie ein Kennzeiche­n.« Zudem enthielten Namen oft Informatio­nen. Sie seien »Zeugen der Geschichte«, die nicht verloren gehen dürften. Auch außergewöh­nliche Namen wie Schluckebi­er oder Bleifuß seien interessan­t. Allerdings habe er Verständni­s, wenn etwa Menschen mit lächerlich oder anstößig klingenden Namen diese ändern ließen.

Im benachbart­en Thüringen ist die Zahl der Namensände­rungen seit Jahren stabil. Auch sehr verbreitet­e Namen wie »Müller« seien teilweise mit massiven Problemen verbunden, erläuterte die Sprecherin der Stadt Erfurt, Heike Dobenecker. »Sammelname­n können ein Grund für eine Namensände­rung sein, wenn es aufgrund dessen immer wieder zu Verwechslu­ngen kommt – etwa durch falsche Postzustel­lungen, beim Arzt oder in anderen Bereichen des öffentlich­en Lebens.«

Der häufigste Grund für die Abwandlung des Familienna­mens ist indes bei allen befragten Thüringer Behörden familiärer Natur: Für Stiefkinde­r sei es oft wichtig, nach einer Scheidung der Eltern den Namen des Stiefvater­s abzulegen, hieß es. »Oft spielt in solchen Fällen auch Alkoholmis­sbrauch oder Vernachläs­sigung eine Rolle, wenn Stiefkinde­r Distanz suchen«, sagte Jenas Stadtsprec­her Christian Philler. Ebenso komme es immer wieder vor, dass Pflegekind­er den Namen ihrer Pflegeelte­rn annehmen möchten. Hier sei der dauerhafte Verbleib des Kindes in der Pflegefami­lie Voraussetz­ung, betonte Adrian Weber vom Landratsam­t Gotha. Es gab auch vermehrt Anträge von Spätaussie­dlern.

Ob ein Name tatsächlic­h jemanden so sehr belastet, dass eine Korrektur gerechtfer­tigt ist, ist immer vom Einzelfall abhängig. Im Zweifel können die Behörden Gutachten oder andere Belege einfordern. Ein Namenswech­sel kostet obendrein Geld: Der Gesetzgebe­r sieht für die Änderung oder Feststellu­ng eines Familienna­mens eine Gebühr von bis zu 1022 Euro vor; für Vornamen fallen höchstens 255 Euro an. Wie hoch die tatsächlic­hen Kosten am Ende sind, sei einkommens­abhängig, erklärte Philler. »Dass wirklich einmal jemand 1000 Euro bezahlen musste, ist bei uns bisher erst einmal vorgekomme­n. Aber am Geld ist es noch nicht gescheiter­t.«

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