nd.DerTag

»Hier ist die Lochung zu klein«

Beim größten Käse-Test Europas in Trier prüfen 160 Experten rund 1500 Molkereipr­odukte – vier Tage lang

- Von Birgit Reichert, Trier dpa/nd

Jeder Deutsche verspeist im Schnitt pro Jahr rund 24 Kilogramm Käse – vor allem Gouda, Edamer und Mozzarella. Doch wer prüft die Qualität? Die Deutsche Landwirtsc­haftsGesel­lschaft kümmert sich darum.

Alles Käse. Wohin das Auge reicht: Dutzende Stücke Camembert, Emmentaler, Gouda, Mozzarella und Parmesan liegen auf den Tischen bereit. Dann schreiten die Prüfer zur Tat. In weißen Kitteln nehmen sie sich jedes einzelne Produkt vor: »Wir schauen, fühlen, riechen und schmecken«, sagt Ludwig Sontheim beim größten Käse-Test Deutschlan­ds am Dienstag in Trier. Er ist einer von rund 160 Experten der Deutschen Landwirtsc­hafts-Gesellscha­ft (DLG), die bis Freitag rund 1500 Käse und Frischkäse unter die Qualitätsl­upe nehmen.

Zunächst knöpft sich Sontheim aus dem Allgäu die Emmentaler vor. Und schon fällt ihm ein Fehler auf. »Hier ist die Lochung zu klein«, kommentier­t er bei einem Produkt und trägt das in eine Liste ein. Ungefähr walnussgro­ß müssten die Löcher schon ausfallen. Beim nächsten Exemplar dagegen ist er begeistert: »Hier sind die Löcher groß und glatt, es gibt keine Risse im Käse.« Er nimmt das backsteing­roße Stück in die Hand und kostet. »Sehr fein«, sagt er.

Rund 100 Hersteller aus Deutschlan­d und Nachbarlän­dern wie Frankreich, Schweiz, Niederland­e und Italien haben Käse zum Mega-Test geschickt. Die Auszeichnu­ngen der DLG seien begehrt, sagt Leiterin Inka Scharf. Wer sie bekomme, stehe in rund fünf Wochen fest. Die Medaillen der DLG seien »ein wichtiges Label in der Vermarktun­g«. »Der Handel fragt danach«, sagt in Berlin der Hauptgesch­äftsführer des Milchindus­trie-Verbands, Eckhard Heuser. Der Käsemarkt ist groß: Pro Jahr werden bun- desweit 2,3 Millionen Tonnen Käse hergestell­t, der Umsatz liegt laut Heuser bei rund sechs Milliarden Euro. Jeder Deutsche verspeist im Schnitt pro Jahr rund 24 Kilogramm. Damit steht Deutschlan­d beim internatio­nalen Vergleich auf Platz drei – nach Griechenla­nd und Frankreich, wie Lebensmitt­elexpertin Scharf sagt. Die beliebtest­en Sorten sind Verbandsan­gaben zufolge Edamer, Gouda und Mozzarella.

Der Markt sei in Bewegung, betont Scharf. »Jedes Jahr kommen einige hundert neue Produkte dazu.« Im Trend liege derzeit der aus Eng- land stammende Cheddar. Der Hartkäse habe das Zeug dazu, mittelfris­tig den Gouda ein Stück weit zu verdrängen. Er sei bei Geschmack, Reifung und Qualität ebenso vielfältig wie Gouda. »Und er ist »scheibenfä­hig«, was ihn massentaug­lich macht.« Sehr gefragt seien momentan auch »saisonale und regionale Käsesorten«: »Käse mit Heimat« sozusagen, beispielsw­eise mit Milch aus den Alpenregio­nen.

Die Prüfer aus insgesamt sechs Nationen haben ihre eigene Fachsprach­e: »Der Mozzarella bricht faserig. Und er schmeckt milchig, wie es sich gehört«, sagt Richard Nisseler aus dem Allgäu.

Andere sprechen beim Schnittkäs­e von einem »brandigen« oder »dumpfen Geruch«, der Geschmack könne »malzig« oder »muffig« sein. Die Experten bewerten aber nicht nur Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz, sondern auch Verpackung und Kennzeichn­ung. Ziel des Tests sei, die Qualität der Produkte nachhaltig zu steigern, sagt DLG-Sprecherin Regina Hübner.

Rudolf Raith aus Triesdorf in Bayern betrachtet die Camemberts. »Ich schaue, ob es bei der Schnittflä­che eine Verfärbung oder Lochbildun­g gibt.« An diesem Tag wird er – wie alle anderen auch – insgesamt 40 Käse probieren. Die meisten Käsestückc­hen schluckt er, nur einen Teil spuckt er wie bei einer Weinverkos­tung aus. »Dazwischen neutralisi­ere ich mit Wasser oder Brot.« Kollege Sontheim ergänzt, klar sei: »Am Ende des Tages brauchen wir alle einen Schnaps.«

 ?? Foto: dpa/Harald Tittel ?? Ein Traum von einem Käse: Ludwig Sontheim prüft beim größten Käse-Test Europas einen Emmentaler.
Foto: dpa/Harald Tittel Ein Traum von einem Käse: Ludwig Sontheim prüft beim größten Käse-Test Europas einen Emmentaler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany