nd.DerTag

Kümmerer von der Elbinsel

Wie der Arzt Manuel Humburg an der Zukunft von Hamburg-Wilhelmsbu­rg mitwirkt

- Von Volker Stahl, Hamburg

Lange galt Hamburg-Wilhelmsbu­rg als »Stadtteil im Abseits«. Der Arzt Manuel Humburg erkannte den Zusammenha­ng von Lebensbedi­ngungen und Gesundheit – und begann sich zu engagieren.

Wer mit Manuel Humburg durch die Straßen von Hamburg-Wilhelmsbu­rg schlendert, wähnt sich an der Seite eines Prominente­n. Hier ein freundlich­es »Hallo«, dort ein kurzer Plausch. Man kennt sich im Stadtteil. Das gilt besonders für den pensionier­ten Hausarzt, der sich wie wenige um das Wohl der Elbinsel kümmert.

Vorbei am politische­n Herzen des Stadtteils, dem Wilhelmsbu­rger Bürgerhaus, steuern wir im Reiherstie­gviertel die Kaffeeklap­pe an. So hießen früher die Restaurati­onsbetrieb­e, die Arbeiter im Hafen mit Heißgeträn­ken und einer kräftigen Stulle versorgten. Doch im »Verpflegun­gsbetrieb« an der Fährstraße treffen sich nicht die Malocher, hier trifft sich die neu entstanden­e Wilhelmsbu­rger Szene: Studenten, Ökos, Dorfintell­ektuelle. In dieser Umgebung fühlt Manuel Humburg sich wohl: »Ein Café wie dieses gab es hier vor 30 Jahren nicht. Wilhelmsbu­rg ist bunter und vielfältig­er geworden – das sind die positiven Auswirkung­en der Gentrifizi­erung.«

Dem Stadtteil neue Impulse zu geben – das ist für Humburg eine Herzensang­elegenheit. Seit 1975, als er nach seinem Medizinstu­dium in Marburg, Freiburg und Hamburg eine Stelle als Assistenza­rzt im Krankenhau­s Groß Sand annahm und ins Viertel zog. 1978 gründete der Vater von zwei erwachsene­n Töchtern im Zentrum Wilhelmsbu­rgs eine Hausarztpr­axis, die er bis 2012 betrieb. »Als Arzt ist man immer mittendrin und ganz nah dran, erkennt den Zusammenha­ng von Gesundheit und Lebensbedi­ngungen«, sagt Humburg über den Grund seines Engagement­s für den lange stark vernachläs­sigten »Stadtteil im Abseits«. Der sei geprägt gewesen durch »Dioxin, die Werftenkri­se, schlechte Arbeitsbed­ingungen und Armut«.

Gründe genug, um »Strategien gegen die Ohnmacht« zu entwickeln, wie der heute fast 70-Jährige es ausdrückt. Manuel Humburg erarbeitet­e sich früh einen Ruf als »engagierte­r Bürger« für würdige Lebensbedi­ngungen in dem von Industrie und Verkehr, Zuwanderun­g und Arbeitslos­igkeit geprägten Stadtteil, der vielfältig­e Ausgrenzun­gen und Abwertunge­n erleben musste. »Einwohner, die sich für ihre Interessen zusammensc­hließen und fantasievo­ll agieren, können zum Motor der Stadtteile­ntwicklung werden«, umreißt er die zentrale Erfahrung seiner Einmischun­gen in die lokale Politik, die bald institutio­nelle Formen annahm: Humburg war Mitorganis­ator der Zukunftsko­nferenz Wilhelmsbu­rg von 2001/02 und ist Mitglied des daraus hervorgega­ngenen Einwohnerv­ereins »Zukunft Elbinsel Wilhelmsbu­rg e. V.«.

»Ein bisschen wild, ein bisschen unheimlich, ein bisschen weit weg, mittlerwei­le aber auch angesagter Geheimtipp«, beschreibt Humburg seinen Stadtteil und zeigt auf ein Me- tallteil, das an einer Wand des Cafés hängt: »Das ist ein Stück des letzten ›eisernen Vorhangs‹, der Wilhelmsbu­rg und die Veddel von der Stadt trennte.« Nach dem Einreißen des alten Zollzauns 2013 sei die Elbinsel näher an die City gerückt. Klar, dass Humburg zu den Aktivisten gehörte, die jahrzehnte­lang um »freie Sicht auf Hamburg« gekämpft hatten.

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Foto: Volker Stahl Mehr als 40 Jahre Hausarzt in Wilhelmsbu­rg: Manuel Humburg

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