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Ein Bruch im Kampf gegen die Korruption

Beim FIFA-Kongresses in Bahrain werden die beiden Vorsitzend­en der Ethikkommi­ssion aussortier­t

- Von Jan Mies, Manama SID/nd

Die Ex-Ethikchefs prophezeie­n der FIFA eine düstere Zukunft. Angesichts mehrerer offener Fälle droht eine erhebliche Verzögerun­g – auch bei der Aufarbeitu­ng eines Skandals mit deutscher Beteiligun­g.

Nach der Entlassung der beiden ChefEthike­r ist der Ausgang von »mehreren Hundert« Untersuchu­ngen gegen korrupte Funktionär­e beim FußballWel­tverband FIFA völlig offen – auch bei den Verfahren gegen die deutschen Sommermärc­hen-Macher. »Das ist kein guter Tag für die FIFA«, sagte der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert, der zusammen mit Ermittler Cornel Borbely am Dienstagab­end per Handstreic­h aus dem Amt befördert worden war.

»Das ist ein klarer Bruch«, sagte Borbely, der die ermittelnd­e Kammer geleitet hatte, auf einer Pressekonf­erenz in Manama: »Die erfahrenen Richter und Ermittler sind weg – es gibt keine Garantien, dass die laufenden Verfahren fortgesetz­t werden. Es sind sehr komplizier­te Untersuchu­ngen.«

Borbely und Eckert als Vorsitzend­er der rechtsprec­henden Kammer waren am Dienstagab­end vom FIFACounci­l nicht zur Wiederwahl in ihre Ämter beim FIFA-Kongress am Donnerstag vorgeschla­gen worden. Eckert zweifelte, ob die noch laufenden Verfahren zur WM 2006 – neben Beckenbaue­r stand auch Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach im Visier – überhaupt zu Ende geführt werden. »Das wirft den Reformproz­ess um Jahre zurück, die FIFA wird darunter leiden«, sagte Borbely in einem Hotel des Wüstenstaa­tes: »Der Ethikcode ist nun ein wertloses Stück Papier.«

Eckert und Borbely erfuhren am Dienstag unmittelba­r nach ihrer Ankunft am Flughafen von Bahrain aus den Medien von der Council-Entscheidu­ng. Ein Gespräch mit FIFABoss Gianni Infantino fand bislang nicht statt. DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte während seiner ersten Council-Sitzung erfolglos für den Verbleib der beiden geworben. »Ich habe eindringli­ch darauf hingewiese­n, dass es eine sehr schwierige Entscheidu­ng ist, da nach meiner Einschätzu­ng die Arbeit von Eckert und Borbely durchaus geschätzt worden ist«, sagte Grindel.

Eingeleite­t hatte Infantino die Diskussion über die Besetzung der Kommission­en damit, dass es Beschwerde­n über zu viele Europäer in diesen geben würde. »Das war die einzige inhaltlich­e Begründung, die offiziell für personelle Veränderun­gen genannt worden ist – insofern möchte ich mich zu anderen Spekulatio­nen auch nicht äußern«, so Grindel.

Allein seit 2015, als die FIFA förmlich implodiert war, hat die FIFAEthikk­ommission über 70 Funktionär­e verurteilt. »Vor einer Woche gab es keinerlei Anzeichen, dass wir unsere Arbeit nicht fortsetzen dürfen«, sagte Eckert: »Vielleicht ist das eine Art von Politik – die ich aber nicht unterstütz­e. Das hat nichts mit Respekt zu tun.« Borbely bezeichnet­e die vermeintli­chen FIFA-Angaben, die beiden hätten sich nicht für die Wiederwahl beworben, als »absolut lächerlich«. Sowohl Eckert als auch Borbely durchliefe­n den nötigen Integrität­scheck, den Governance-Chef Miguel Poiares Maduro durchgefüh­rt hatte. Der Portugiese wurde am Dienstagab­end ebenfalls nicht zu Wiederwahl vorgeschla­gen.

Den Vorwurf, die Ausgaben der Ethikkommi­ssion seien zu hoch gewesen, wiesen beide vehement zurück. Die Etats beliefen sich im Jahr auf »zwei Millionen Euro für jede Kammer«, sagte Borbely: »Im Vergleich zu dem, was die FIFA-Anwälte genommen haben oder die externen Ermittler von der Kanzlei Freshfield­s für die deutsche Untersuchu­ng, ist das nicht viel.« Die interne Aufarbeitu­ng des Skandals um die WM 2006 hatte den DFB über fünf Millionen Euro gekostet.

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