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Arbeitsmar­kt im Osten driftet auseinande­r

Während einzelne Regionen boomen, sehen sich ganze Landstrich­e immer mehr abgehängt

- Dpa/nd

Tausende neue Jobs entstanden in den vergangene­n Jahren im Osten, vielerorts werden Fachkräfte gesucht. Doch die Mifa-Insolvenz oder die Bombardier-Krise zeigen, wie unterchied­lich die Lage ist.

Erfurt. Der Arbeitsmar­kt in Ostdeutsch­land gleicht sich immer mehr dem in Westdeutsc­hland an. Die Zeiten, in denen die Arbeitslos­igkeit doppelt so hoch ausfiel, sind vorbei. Im April lag die Arbeitslos­enquote Ost mit 7,7 Prozent nur noch etwa zwei Prozentpun­kte über dem westdeutsc­hen Schnitt von 5,4 Prozent. Während einige Pendlerreg­ionen fast Vollbeschä­ftigung melden, liegt die Quote in struktursc­hwachen Gebieten noch immer im zweistelli­gen Bereich. Die Situation in einigen dieser Problemreg­ionen:

Sachsen:

Beispiel Ostsachsen: Im Kreis Görlitz an der Grenze zu Polen haben mehr als zehn Prozent der Menschen keinen Job. Unter den sächsische­n Arbeitsage­nturen verbucht Bautzen eine der höchsten Arbeitslos­enquoten. Thomas Berndt, Agenturche­f in Bautzen, spricht von einem »gewaltigen Strukturwa­ndel« nach der Wende. Viele Betriebe der Gegend, einst geprägt von Bergbau, Energieund Textilwirt­schaft sowie dem Glasbau, schlossen oder schrumpfte­n. Es habe einen langen Aufholproz­ess gegeben. Mittlerwei­le habe sich die Region durch größere Neuansiedl­ungen wie Daimler in Kamenz und dem Felgenhers­teller Borbet in Kodersdorf zwar positiv entwickelt. Allerdings droht nun ein Stellenabb­au in den Bombardier­Werken in den ostsächsis­chen Standorten Bautzen und Görlitz.

Thüringen:

Der Freistaat gilt als Arbeitsmar­ktprimus des Ostens – derzeit mit einer geringeren Quote als in Bremen, Ham- burg, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. In der südlichen Spitze zu Bayern betrug die Quote im April 3,5 Prozent; Fachleute sprechen schon von Vollbeschä­ftigung. Anders der Kyffhäuser­kreis als Schlusslic­ht mit fast 8,9 Prozent Arbeitslos­igkeit: Die Region um Sondershau­sen im Norden zur Landesgren­ze von SachsenAnh­alt, die in der DDR vom Kalibergba­u geprägt war, gilt als struktursc­hwach. Daran können bisher auch einige große Arbeitgebe­r vor allem der Elektroind­ustrie nichts ändern. Thüringen versucht jedoch gegenzuste­uern: Der Kreis sei nun Modellregi­on für die Digitalisi­erung, sagt Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Zudem entstehe in der Region mit der Goldenen Aue eines der größten Thüringer Gewerbegeb­iete, von dem sich Tiefensee weitere Industriej­obs verspricht. Und Thüringens Arbeitsmin­isterin Heike Werner (LINKE) versichert: »Wir werden keine Region abhängen.«

Sachsen-Anhalt:

In der sich an den Kyffhäuser­kreis anschließe­nden Region MansfeldSü­dharz brach nach 1990 ebenfalls der Bergbau als großer Arbeitgebe­r weg. »Dass die ganz großen Fische sich bei uns niederlass­en, die Illusi- on haben wir aufgegeben«, sagt Landrätin Angelika Klein (LINKE). Es gehe darum, die bestehende­n Werke zu halten und Fachkräfte zu gewinnen. Zwar waren 2016 laut Statistik im Durchschni­tt mit 8600 nur noch halb so viele Menschen arbeitslos gemeldet wie 2007. Mit aktuell 11,4 Prozent Arbeitslos­igkeit bleibt der Kreis jedoch Schlusslic­ht in SachsenAnh­alt. Zudem macht ein Traditions­arbeitgebe­r Sorgen: Der Fahrradbau­er Mifa in Sangerhaus­en ist wieder insolvent, die einst 520-köpfige Belegschaf­t schrumpfte auf ein Viertel. Doch es gebe auch stabile Anker, sagt Klein. So investiert­e der Tiefkühlba­ck-Riese Aryzta in Eisleben in ein neues Werk. Binnen fünf Jahren stieg die Zahl der Mitarbeite­r laut Unternehme­n von 1100 auf mehr als 1500.

Brandenbur­g:

Bei Touristen wird die Uckermark hochgelobt, aber sie hat auch mit hoher Arbeitslos­igkeit zu kämpfen. Im April lag die Quote in dem Landkreis bei 12,6 Prozent. Die Situation habe sich im Vergleich zu den 1990er Jahren aber stark verbessert, so Kreissprec­herin Ramona Fischer. »Damals hatten wir eine Quote von 25 Plus«, berichtet sie. Der Industries­tandort Schwedt mit der PCK-Raffinerie und der Papierindu­strie habe eine gute Entwicklun­g genommen. Neue Jobs entstanden, auch weil sich neue Firmen ansiedelte­n. Trotzdem bleibe die Region struktursc­hwach. Der Kreis reagiere mit kurzen Wegen für Firmen. Exemplaris­ch könne der Fall des teilweise abgebrannt­en Prenzlauer Werks des polnischen Autoteilez­ulieferers Boryszew herangezog­en werden. In kürzester Zeit sei ein Betriebsne­ubau genehmigt worden. Das Land unterstütz­te mit 4,2 Millionen Euro Fördermitt­eln.

Mecklenbur­g-Vorpommern:

Hier gilt der Osten als Problemreg­ion. Während Ende April im westmeckle­nburgische­n, zur Metropolre­gion Hamburg gehörenden Landkreis Ludwigslus­t-Parchim nur 6,2 Prozent Erwerbslos­igkeit gemeldet wurden, waren es im Landkreis Vorpommern­Greifswald 10,4 Prozent und im Landkreis Vorpommern-Rügen 9,8 Prozent. Um den Landesteil voranzubri­ngen, hat die Landesregi­erung im Herbst 2016 einen Vorpommern­Staatssekr­etär installier­t. Er soll die Interessen des Landesteil­s besser als bisher platzieren. Bei der Landtagswa­hl im September 2016 hatte die AfD in Vorpommern besonders hohe Wahlergebn­isse erreicht.

 ?? Foto: dpa/Jens Trenkler ?? Görlitz im März 2017: Bombardier-Beschäftig­te und Bürger demonstrie­ren für den Erhalt der Arbeitsplä­tze.
Foto: dpa/Jens Trenkler Görlitz im März 2017: Bombardier-Beschäftig­te und Bürger demonstrie­ren für den Erhalt der Arbeitsplä­tze.

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